Beifall der Schulministerin

Gestern eröffnete der Verband Bildung und Erziehung in NRW seine Delegiertenversammlung 2004 in der Dortmunder Westfalenhalle. Schulministerin Ute Schäfer (SPD) wurde sogar beklatscht

AUS DORTMUND ELMAR KOK

Selbst die Grund- und Hauptschullehrer, die sich im Verband Bildung und Erziehung (VBE) organisiert haben, mochten ihre oberste Dienstherrin, Schulministerin Ute Schäfer (SPD) gestern nicht ausbuhen. Auf früheren Versammlungen der Delegierten des VBE mussten sich sozialdemokratische Bildungsministerinnen auch mal auspfeifen lassen. Ute Schäfer brachte die 330 Landesdelegierten des Verbandes mit ihrem Grußwort, dass sie zur Eröffnung der Versammlung sprach, gestern nur kurz zu einem Murmeln. Das schaffte sie, als sie sagte: „wir haben in diesem Jahr zusätzliche 1.400 Stellen eingestielt.“

Das diesjährige Treffen steht unter dem Motto „Bildung und Erziehung – Chancengerechtigkeit von Anfang an“ und setzt sich mit der möglichen Modernisierung des Bildungssystems in Deutschland auseinander. Um die Lehrer mit Impulsen zu versorgen, hatte der VBE Mats Ekholm, den Direktor der schwedischen Bildungsagentur Skolverket, eingeladen. Im Jahr 2003 reiste er als einer von vier Gutachtern für die OECD Lehrerstudie durch Deutschland. Für die in Deutschland bestehenden Schulstrukturen und die Delegierten hatte Ekholm neben Aufmunterungen viel bissigen Spott übrig. Das dreigliedrige Schulsystem nach der Grundschule sorge mehr für eine „soziale Sortierung“, als für einen gerechten Bildungszugang, sagte er. Das System, Schüler in 45 minütigen Einheiten zu unterrichten, sei aus dem Mittelalter, „sie arbeiten wie die Hunnen“ sagte Ekholm. Zudem müssten das Schulsystem nicht nur darauf abzielen, den Schülern etwas einzutrichtern, „bringen sie den Schülern lieber bei, wie man lernt“. Denn davon hätten die dann das ganze Leben etwas.

Der Vorsitzende des VBE, Udo Beckmann, ging in seiner Grundsatzrede auf die erst kürzlich durchgeführten Lernstandserhebungen ein. Diese dürften nicht dazu benutzt werden, Ratings zu erstellen, mahnte Beckmann. Denn das schaffe Gewinner und Verlierer. „Brauchen wir denn noch mehr Verlierer des Bildungssystems“ kritisierte er die zentralen Prüfungen. Mittlerweile ließe das Bildungssystem 20 Prozent der Schüler nach der Schule praktisch auf der Straße stehen, sagte Beckmann. „Zwanzig Prozent haben nach ihrer Schullaufbahn keine Voraussetzung zur Ausbildung erlangen können, aber wir müssen die Menschen vor geistiger und materieller Armut schützen“, sagte der VBE-Landesvorsitzende.

Er forderte ein, die Lernstandserhebungen nicht nur als Diagnose zu nutzen, sondern „es muss darauf auch eine Therapie folgen“. Dafür sehe er im Haushalt der Landesregierung aber keine Signale. Auch SPD-Ministerpräsident Peer Steinbrück bekam von Beckmann sein Fett weg. „Wer sich für Ein-Euro-Jobs in Kindertagesstätten stark macht, hat das Recht verwirkt, in Bildungsfragen überhaupt ernst genommen zu werden.“ Bildung sei zwar teuer, aber der Verzicht auf Bildung sei noch teurer, sagte Beckmann. Und auf die Kitas bauten alle nachfolgenden Bildungsformen auf. Insofern sei es unverständlich, dass die Gruppengröße dieser Einrichtungen bei 27 Kindern liege, während sich der europäische Vergleichswert bei 15 Kindern pro Gruppe befinde. Zudem sei es ein Unding, dass 36 Prozent der Gelder die die Tagesstätten finanzierten, aus privater Hand kämen.

In ihrer anschließenden Rede wehrte sich Schulministerin Schäfer gegen die Kürzungsvorwürfe. Das Ministerium habe nur bei den Betriebskosten der Kitas gekürzt, nicht aber bei den für den Betrieb notwendigen Sachkosten, sagte sie. Zudem sei die offene Ganztagsschule keine „Halbtagsschule mit anschließender Suppenküche“, wie Beckmann das Modell zuvor nannte, sondern „ein Modell lokaler Bildungspolitik, auf das ich nicht mehr verzichten möchte“, sagte Schäfer. Das käme der Vorstellung des Ministeriums vom Haus des Lernens schon sehr nah. Dann nahm die Ministerin den Delegierten noch die Angst vor dem Verlust des Beamtentums. „Ich stehe zur Besoldung in Nordrhein-Westfalen“, sagte sie, konnte sich aber einen Seitenhieb nicht verkneifen. Mit Blick auf das in der PISA-Studie gut abschneidende Finnland sagte Schäfer: „Wenn wir bezahlen würden wie in Finnland, hätten wir 1,4 Milliarden Euro mehr zur Verfügung.“