Napster heißt jetzt Snocap

Der Gründer der legendären Internet-Tauschbörse will mit der Musikindustrie kooperieren – mit derselben Idee

Das Internet bringt seltsame Karrieren hervor. Musikstücke (und selbstverständlich Pornos) waren in den einschlägigen Foren des „usenet“ schon lange zu haben. Sie waren jedoch ziemlich mühsam zu finden. Zu mühsam jedenfalls für Shawn Fanning, der sich in diesen Foren „Napster“ nannte. Er stellte vor nunmehr fünf Jahren eine Liste mit den Adressen der Leute ins Netz, die solche Daten in die Newsgroups hochgeladen hatten, und schrieb ein ziemlich simples Programm, das sie gleich an der Quelle abholte. Wenige Monate später war Fanning der Hauptfeind der Musikindustrie. Fanning war erst 18 Jahre alt, aber schon klug genug, um sich seine Chancen auszurechnen. Sie standen schlecht. Noch bevor es zu Auseinandersetzungen vor Gericht kam, verließ er die kleine Firma, die er um seine schlaue Idee herum aufgebaut hatte.

Napster ist längst tot. Aber Shawn Fanning meldete sich letzte Woche zurück. Seine neue Firma heißt „Snocap“. Die Idee ist dieselbe. Fanning will wieder eine Liste mit Adressen von Leuten ins Netz stellen, die Musikstücke zum Herunterladen anbieten. Nur soll sie jetzt von der Musikindustrie verwaltet werden. Sie enthält Informationen darüber, wem das Urheberrecht des jeweiligen Titels gehört, und die neue Version des Napster-Programms wird das Stück erst dann in voller Länge übertragen, wenn die dafür fällige Gebühr überwiesen ist – vorher sind nur ein paar Anfangstakte als Kaufanreiz zu hören. Dem Vernehmen nach ist die vereinigte Musiksparte der Konzerne Sony und Bertelsmann stark an Fannings Programm interessiert. Der amerikanische Dachverband RIAA hat zwar gerade eine neue Klagewelle gegen unbekannte Nutzer der Napster-Nachfolger Kazaa und eDonkey losgetreten, aber langsam dämmert es auch dort, dass es wohl besser wäre, sich mit den Tauschbörsen irgendwie zu einigen. Gut möglich deshalb, dass die Musikindustrie den Lieblingsfeind von gestern als Retter in letzter Minute feiern wird.

Justin Frankls Karriere dagegen ist weniger glücklich. Er hat das bis heute beliebte MP3-Abspielprogramm „Winamp“ geschrieben und dann seine Firma „Nullsoft“ leichtsinnigerweise an AOL verkauft. Dort fiel er in Ungnade, als er am Feierabend das Basisprotokoll des Tauschnetzes „Gnutella“ entwickelte. AOL verhandelte gerade über die Fusion mit Time Warner und verbot die Verbreitung des Codes umgehend. Gnutella hat sich trotzdem durchgesetzt, vor allem deshalb, weil Frankls System auf Fannings Adressliste verzichtet. Daran sind bisher sämtliche Anwälte der Musikindustrie gescheitert. Der Betriebsfrieden mit AOL war nachhaltig gestört, Frankl vertreibt heute ein eigenes, verschlüsseltes Tauschsystem für professionelle Anwender. AOL hat jede Lust an den Ideen des einst so teuer eingekauften Wunderkindes verloren: Anfang des Monats teilte die Direktion mit, sie werde nun auch die Entwicklung des Winamp-Programms einstellen.

NIKLAUS HABLÜTZEL