Im Freibad künftig Vollzahler

Ermäßigungen für Arbeitslosengeld-II-Empfänger belasten Kommunalhaushalte in Millionenhöhe. Nun drohen aufgrund des Sparzwangs drastische Einschnitte bei den Leistungen für sozial Schwache

AUS BIELEFELD UWE POLLMANN

Die zukünftigen Empfänger von Arbeitslosengeld II und Sozialhilfe könnten in einigen Kommunen in NRW ab dem Beginn des kommenden Jahres keine Ermäßigungen mehr erhalten. Bisher bekommen Sozialhilfebezieher in vielen Gemeinden und Städten Rabatte bei städtischen Einrichtungen und Verkehrsbetrieben, ab dem 1. Januar müssten das eigentlich auch die Bezieher von Arbeitslosengeld II erhalten. Doch das wird teuer, hat man zum Beispiel jetzt in Bielefeld festgestellt.

Noch erhalten Sozialhilfeempfänger dort mit dem so genannten „Bielefeld-Pass“ Ermäßigungen in Kindergärten, Bädern und Bibliotheken, in Bussen, Volkshochschule oder bei der Hundesteuer. 21.000 Bielefelder haben darauf einen Anspruch. Doch mit der Einführung von Arbeitslosengeld II wächst ihre Zahl auf über 36.000. Und so lässt Sozialdezernent Tim Kähler jetzt rechnen, „wie viel Geld gibt die Stadt heute aus und was würde es die Stadt mehr kosten, wenn mehr Anspruchsberechtigte da sind“.

Bisher sind die jährlichen Mehrkosten unklar. „Aber man kann unterstellen, dass wir uns höchst wahrscheinlich in einem sechsstelligen Bereich bewegen“, sagt Kähler. Andere sprechen von einem Millionenbetrag. Und so hat die Verwaltung bereits Sparvorschläge gemacht. Überall, vom Essensgeld für Schüler bis zur Musik- und Kunstschule, sollen die Vergünstigungen für sozial Schwache reduziert werden. Jetzt muss der Rat entscheiden. Und das werde schwer, so Tim Kähler: „Denn wir haben ein nicht genehmigtes Haushaltssicherungskonzept.“

Doch nicht alle Städte beschäftigt das Thema so wie Bielefeld, weiß man beim nordrhein-westfälischen Städte- und Gemeindebund. Niemand hat hier bisher um Rat gebeten. Auch in Köln, Dortmund, Gelsenkirchen oder Duisburg hat man sich kaum größere Gedanken darüber gemacht. In Gelsenkirchen und Duisburg gibt es Sozialpässe und viele Rabatte für sozial Schwache ohnehin nicht mehr. Und in Dortmund und Köln gelten sie nur noch bis Ende des Jahres. Ob sie verlängert werden, ist unklar, hört man aus den Verwaltungen. Der Kostendruck könnte auch hier zuschlagen.

Vor allem kleine Städte wie das ostwestfälische Herford überrollt das neue Problem, sagt die dortige Sozialamtsleiterin Jutta Decarli: „Die Umsetzung der Hartz-Gesetzgebung hat uns organisatorisch und personell sehr in Anspruch genommen. Dem Thema Auswirkungen auf andere Bereiche können wir uns eigentlich erst jetzt widmen.“ Was die Ausweitung der Rabatte auf alle Empfänger von Arbeitslosengeld II kostet, will Decarli in Herford in den nächsten Monaten errechnen: „Und dann dem Rat im nächsten Frühjahr einen Vorschlag unterbreiten, wie damit umzugehen ist.“

Ziel sei aber in Herford, alle Rabatte ebenso für einen größeren Kreis zu erhalten. Auch andere Städte wie Detmold oder Gütersloh wollen das. Sagen sie. Daran zweifelt aber die Bielefelder Sozialexpertin Ulrike Gieselmann von der Sozialberatungsstelle „Widerspruch“: „Wenn die im nächsten Jahr den Haushalt zusammen stellen, dann werden sie gucken, an welcher Stelle kann man noch sparen.“ Und da die nordrhein-westfälischen Stadtsäckel leer sind, würden „als erstes die freiwilligen Leistungen beschnitten“.

Dadurch könnten paradoxe Situationen entstehen, meint Gieselmann. Ein-Euro-Jobber könnten dann soziale Einrichtungen wie die Stadtbibliotheken aufrecht erhalten, während Bezieher von Arbeitslosengeld II und Sozialhilfe dort keine Ermäßigung mehr bekämen: „Vollkommen widersinnig.“