Neue Härtefallregelung kommt für viele Flüchtlinge zu spät

In einem Monat tritt das neue Zuwanderungsgesetz inkraft. Vorher versuchen Behörden noch verstärkt abzuschieben – selbst wenn das gegen Abkommen mit der UNO verstößt

Flüchtlingshelfer kritisieren „Aufräummentalität“ in vielen Ausländerbehörden

BERLIN taz ■ 15 Jahre lebte Nazmi Ramadami, 55, mit seiner Familie in Berlin. Die Kinder gingen auf deutsche Schulen und Nazmi hatte für kurze Zeit auch einen Job. Als er sich im Juli mit seiner Frau und seinem jüngsten Sohn ordnungsgemäß bei der Ausländerbehörde melden wollte, um ihren Duldungsstatus zu verlängern, wurden sie verhaftet. Wegen anstehender Abiturprüfungen wurde sein Sohn nach zwei Monaten aus der Haft entlassen, Ehefrau Emine, die an einer posttraumatischen Belastungsstörung und extrem hohen Blutdruck leidet, kam vor einer Woche frei. Ehemann Nazmi hingegen wurde am Donnerstag nach Priština im Kosovo abgeschoben.

Dabei hätte mit dem neuen Zuwanderungsgesetz, das in 35 Tagen in Kraft tritt, auch bei ihm die Härtefallregelung gegriffen. Demnach kann eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, wenn sich eine von der Landesregierung eingerichtete Härtefallkommission aus dringenden humanitären oder persönlichen Gründen dafür ausspricht. Zudem sieht die Härtefallregelung vor, dass Flüchtlinge bleiben dürfen, wenn sie länger als sechs Jahre hier leben und bestimmte Integrationskriterien erfüllen wie Deutschkenntnisse, Einbindung in den Arbeitsprozess und Schulbesuch der Kinder. Schleswig-Holstein ist das einzige Bundesland, dass bereits eine Vorgriffsregelung einführte.

Der Fall Ramadami in Berlin ist deswegen nicht der einzige, bei dem die Regelung zu spät kommt. „Wir haben den Eindruck, dass die Zahl der Abschiebungen nicht nur in Berlin dramatisch zugenommen haben“, sagt Jens-Uwe-Thomas vom Berliner Flüchtlingsrat. Insbesondere treffe es Flüchtlinge aus dem ehemaligen Jugoslawien, die seit vielen Jahren in Deutschland leben. Auch Beate Sträter von der Bundesarbeitsgemeinschaft „Asyl in der Kirche“ in Bonn berichtet von einer Zunahme. So gebe es bundesweit vermehrt Anfragen nach Kirchenasyl. Sie berichtet von zwei schwer kranken Eheleuten, die einzeln abgeschoben werden sollen, obwohl sich ihre Kinder, die die deutsche Staatsbürgerschaft haben, um ihre Eltern kümmern können. Und von einer 15-Jährigen, die wegen ihrer Volljährigkeit vor dem Abschluss ihres Abiturs ausgewiesen werden soll. In vielen Ausländerbehörden mache sich eine Art „Aufräummentalität“ breit, so die Sprecherin der Bundesarbeitsgemeinschaft. Sie befürchtet, dass die Zahl der Abschiebungen in den noch verbleibenden vier Wochen weiter ansteigen werde.

Bei der Abschiebung von Nazmi Ramadami ist der Fall aber auch aus einem anderen Grund bedenklich. Wie sich bei seiner Ankunft in Priština herausstellte, verstößt seine Abschiebung gegen ein Abkommen mit der UN-Verwaltung im Kosovo. Diese sieht vor, dass Flüchtlinge, deren Familien durch die Abschiebung auseinander gerissen werden, Bleiberecht im Aufnahmeland genießen. Bei Ramadami war genau das der Fall. Noch am selben Abend wurde er wieder ausgewiesen und von Montenegro aus am Freitag nach Frankfurt ausgeflogen. Aufatmen kann seine Familie aber nicht. Bis gestern war nicht klar, was mit ihm nun geschieht. Rechtlich müsste ihm eine Duldung zustehen, wenn die UN-Verwaltung im Kosovo sich weigert, Ramadami zurückzunehmen, sagte sein Anwalt Ronald Reimann. Die Familie in Berlin befürchtet, dass Ramadami erneut in Abschiebehaft gesteckt wird – wahrscheinlich über den 1. Januar hinaus. FELIX LEE