Muslim werden ist nicht schwer …

Ilja Trojanow ist zum Islam konvertiert und hat darüber ein bewegendes Buch geschrieben

Die einen haben jetzt endgültig im Islam, wenn nicht das absolut Böse, dann doch wenigstens das Rückständige per se ausgemacht. Die anderen lassen sich bei ihren Forschungsarbeiten gar nicht irritieren. So auch Ilja Trojanow.

„Der Schriftsteller sieht sich als Reisender zwischen den Welten, als Suchender zwischen den Religionen und Kulturen“, heißt es im Klappentext zu Hadschi Ilias’ neuestem Buch. Trojanow darf sich jetzt Hadschi nennen – er hat die große Hadsch, die Reise nach Mekka und Medina im Pilgermonat, auf sich genommen. Damit hat er eine der fünf wichtigsten Pflichten (Säulen) des Islam erfüllt.

Ilja Trojanow ist Muslim geworden. Das ist relativ einfach. Viel einfacher jedenfalls, als Jude zu werden. Man muss nur mit Überzeugung das Glaubensbekenntnis sprechen: „Es ist kein wahrer Gott außer Gott (Allah) und Mohammed ist der Gesandte (Prophet) Gottes.“ Man muss glauben, dass der Heilige Koran das geschriebene Wort Gottes ist, von ihm offenbart, dass der Tag des Gerichtes wahr ist und kommen wird, wie Gott es im Koran vorhergesagt hat. Man muss den Islam als seine Religion akzeptieren und nichts und niemand anders als Gott anbeten. Schon ist man Muslim.

Ob man aus der islamischen Glaubensgemeinschaft austreten kann, darüber gibt es höchst ungenaue Auskünfte. Wohl eher nicht, da es sich beim Islam nicht um eine Kirche handelt, in die man ein- oder austritt. Leider gibt uns der Autor keine weitere Auskunft über sich und sein Sehnen und darüber, ob er auf seiner Suche im Islam fündig geworden ist. Schon im Vorwort geißelt er vielmehr diejenigen westlichen Schreiber, die die Welt um ihre eigene Physis und Psyche kreisen ließen und damit die literarische Form der Reiseerzählung diskreditierten. Dagegen lobt er ausdrücklich die muslimischen Erzähler, die ihre Gefühle nicht in den Vordergrund stellen.

Er zeigt sich damit als gelehriger und strebsamer Schüler der neuen Lehre. Vielleicht ist er aber nur in die Falle aller Konvertiten gegangen: Was man gerade entdeckt hat, ist so viel besser als das, was man verließ. Trojanows missionarischer Eifer hält sich glücklicherweise in Grenzen, also überwiegt beim Lesen doch das Interesse an dem, was er zu berichten hat.

Zunächst begibt er sich in den Ihram, den Weihezustand, der durch diverse Waschungen und Gebete und durch das Bekleiden mit zwei schlichten weißen Tücher hergestellt wird. Während der gesamten Pilgerfahrt soll man in diesem Zustand bleiben, der jede Menge Ge- und Verbote beinhaltet, zu denen auch gehört, dass man absolut enthaltsam lebt, sich ganz auf die Ehrung Gottes konzentriert und die vorgeschriebenen Rituale vollzieht.

Angefangen hat alles, wie es wundervollerweise in Ländern wie Indien immer anfangen kann: mit einem Tauschgeschäft. Ein Jahr lang besuchte Trojanow in Bombay eine islamische Organisation, die soziale Einrichtungen betreibt und junge Schriftgelehrte ausbildet. Er unterrichtete die Studenten im Verfassen englischer Artikel über den Islam, und im Gegenzug wurde er in der islamischen Religion unterwiesen. Dass er viel gelernt hat, steht außer Frage, und der Leser profitiert von seinen Kenntnissen.

Trojanow ist zu klug, um nur einer ihm neuen Religion anheim zu fallen. Auch bei seinen Brüdern entdeckt er so manche Verfehlung. So sah er keinen der Pilger ein religiöses Buch lesen, obwohl das empfohlen wird; er merkt kritisch an, dass auch der Koran weniger studiert als rezitiert werde und dass so mancher angeblich fromme Glaubensbrüder die Schrift nach eigenem Gutdünken auslegt. Der Wunsch nach Klarheit ist allerdings allzu fromm, denn gerade da es keine Institution gibt, sind verschiedene Interpretationen des Wortes unvermeidlich und in der islamischen Welt verbreitet.

Dennoch ist es äußerst anregend und berührend, dem Adepten beim staunenden Eifer über richtig ausgeführte Rituale zu folgen. Wie er die Waschung vor dem Gebet ganz korrekt ausführen will, weil sie ja mehr als eine bloße Reinigung von Straßenschmutz bedeutet, sondern ein Akt der Sammlung für das Kommende. Bei Trojanows Beschreibung der Tage und Verrichtungen in Mekka folgt man dem Fasziniertsein des Autors, bewundert seine religiöse Verzückung. Man bestaunt seinen Mut, sowohl im Geschehen, das teilweise chaotische bis lebensgefährliche Ausmaße annimmt – immerhin werden ja, wenn die Menge rast, schon mal ein paar Gläubige totgetrampelt –, aber auch seinen Mut zur Hingabe. Immerhin zählt der Islam nicht gerade zu den angesagtesten Glaubensrichtungen.

Manchmal hätte man sich da gewünscht, er verriete mehr von seinem Befinden – was er leider so verachtet. Auch die Betrachtung der Frauen bei der Hadsch und in seiner muslimischen Gemeinde fehlt in seinen Beschreibungen. Da jedoch Männer und Frauen bei der Hadsch ebenso streng wie in der Moschee getrennt sind, hat er von ihnen nicht allzu viel mitbekommen. Und dennoch. Sein Buch ist schön, spannend, an manchen Stellen bewegend. Es lässt allerdings sehr viele Fragen offen, die man gerade von einem westlichen Schriftsteller, der ja unseren fragenden, westlichen Blick kennt, gern zumindest teilweise beantwortet bekommen hätte.

RENÉE ZUCKER

Ilja Trojanow: „Zu den heiligen Quellen des Islam. Als Pilger nach Mekka und Medina“. 166 Seiten, Malik, Hamburg 2004, 16,90 Euro