Regendichte Jacken mit sozialen Schwachstellen

Stiftung Warentest untersucht erstmals nicht nur Haltbarkeit und Preis, sondern auch die Arbeitsbedingungen in der Herstellung der Produkte. Auftakt: Outdoor-Jacken. Lowe und Jack Wolfskin verweigern verschiedene Informationen. Die Entscheidung liegt beim Konsumenten

BERLIN taz ■ Pünktlich zu ihrem 40-jährigen Jubiläum hat die Stiftung Warentest neues Terrain betreten: Die aktuelle Ausgabe der Zeitschrift Test informiert die Leserschaft nicht nur darüber, wie lange 14 Outdoor-Jacken einem Regenguss standhalten. Erstmals erfahren die Kunden auch etwas über ökologische und soziale Bedingungen bei der Produktion. Um die herauszufinden, reicht es nicht mehr, die Produkte ohne Wissen der Hersteller im Laden zu kaufen und auf Lebensdauer, Pestizidrückstände oder Bedienungsfreundlichkeit zu untersuchen. „Weil man am Produkt selbst nicht ablesen kann, wo und wie es hergestellt wurden, sind wir hierbei auf die Kooperation der Firmen angewiesen“, sagt Projektleiter Holger Brackemann.

Kein einziges Unternehmen fertigt die Jacken noch selbst – und fast überall fehlt der Hinweis, wo sie produziert wurden. Zwei Firmen – Jack Wolfskin und Lowe Alpine – verweigerten jegliche Auskunft. Weil bei Lowe Alpine zusätzlich die Haltbarkeit der Nähte zu wünschen übrig ließ, vermuten die Tester dahinter schlechte Arbeitsbedingungen. Wahrscheinlich stammen die meisten Outdoor-Jacken aus den Freihandelszonen in China, aber auch Indonesien, Portugal und Frankreich sind Produktionsstandorte. Wie die Arbeitsbedingungen dort konkret aussehen, versuchte die Stiftung auf unterschiedlichen Wegen herauszufinden. Zunächst sollten die Unternehmen einen 37-seitigen Fragebogen beantworten: Verpflichtet das Unternehmen seine Zulieferer zur Einhaltung bestimmter Sozial- und Umweltstandards, und wie wird deren Einhaltung überprüft? Die Glaubwürdigkeit der Angaben wurde anschließend mit Einschätzungen von Gewerkschaften und Nichtregierungsorganisationen abgeglichen.

Selbst die Situation vor Ort zu überprüfen hatte die Stiftung gar nicht erst erwogen, berichtet Brackemann. Schließlich erzählen Beschäftigtenvertreter immer wieder, dass in Firmen alles ganz anders als im Alltag aussieht, wenn angemeldeter Besuch ins Haus steht.

Im Gegensatz zu den unmittelbaren Produkttests vergibt Test für die Öko- und Sozialstandards keine Noten. So müssen die Kunden selbst entscheiden, ob sie den anspruchsvollen firmeninternen Sozialkodex von KarstadtQuelle beim Kauf einer Outdoor-Jacke höher bewerten als zum Beispiel die Tatsache, dass Lafuma in Frankreich produziert, wo relativ gute Bedingungen zu erwarten sind.

Im kommenden Heft wird sich Test mit tiefgefrorenen Lachsen beschäftigen. Der überwiegende Teil der Tiere kommt aus Zuchtbetrieben in Norwegen, doch auch Chile wird als Lieferland bedeutsamer. Fast jeder Wildlachs, der auf einem deutschen Teller landet, wurde dagegen im Pazifik gefangen – und aller Wahrscheinlichkeit nach in China verarbeitet.

Ob sich die Kundschaft für solche Fragen überhaupt ernsthaft interessiert, müssen die Stiftungsmitarbeiter nun herausfinden. Schließlich finanziert sich ihre Organisation zu 90 Prozent durch den Verkauf der Test-Hefte. Bei einer repräsentativen Umfrage unter Verbrauchern, welches Kriterium ihnen bei identischer Qualität und gleichem Preis am wichtigsten sei, nannte etwa jeder neunte die soziale Verantwortung des Unternehmens. Den meisten war die Benutzerfreundlichkeit der Produkte wichtiger. ANNETTE JENSEN