Asien baut Zölle ab

Asean-Staaten einigen sich auf Zollfreiheit für Industriegüter, streben starken Wirtschaftsraum an – und werden doch von China dominiert

AUS PEKING GEORG BLUME

Auf dem Papier sieht es nach Fortschritt aus: Gestern unterzeichneten die zehn Staatschefs der südostasiatischen Ländervereinigung Asean ein Abkommen zur Abschaffung der Industriezölle zwischen ihren Ländern. Damit verpflichteten sich die reicheren Länder der Gruppe – Brunei, Malaysia, Indonesien, die Philippinen, Singapur und Thailand –, die Zölle für Autos, Textilien, Elektronik und andere Industriegüter bis 2007 ganz zu streichen, während die ärmeren Länder – Vietnam, Kambodscha, Laos und Birma – das Ziel erst 2012 erreichen müssen.

Die Asean-Länder, die sich gestern zu ihrem Gipfel in der laotischen Hauptstadt Vientiane trafen, wollen mit dem Abkommen ihrem vor einem Jahr verabschiedeten Plan näher kommen, bis ins Jahr 2020 eine EU-ähnliche Freihandelszone mit 500 Millionen Menschen zu schaffen, die langfristig auch politisch zusammenwachsen soll.

Doch wird der kühne Plan heute schon von den explodierenden Wirtschaftsbeziehungen der Asean-Länder zu China überschattet. Das Treffen in Vientiane machte das gestern erneut deutlich. Denn im Mittelpunkt stand nicht so sehr das innersüdostasiatische Zollabkommen als vielmehr ein weiteres Abkommen, das bis 2010 eine Reihe von Zöllen zwischen Asean und China abschaffen soll. Bereits im vergangenen Jahr vereinbarte die Asean-Gruppe, zusätzlich eine Freihandelszone mit China zu errichten – allerdings schon bis 2010.

So gehen die Verhandlungen der Asean-Länder mit China offenbar schneller voran als untereinander. Das aber hat unübersehbare ökonomische Gründe: Allein in den ersten neun Monaten dieses Jahres wuchs das Handelsvolumen zwischen Asean und China um 35 Prozent im Vergleich zum selben Vorjahreszeitraum. Für das ganze Jahr wird das Handelsvolumen voraussichtlich die 100-Milliarden-Dollar-Grenze überschreiten. China ist damit auf dem besten Weg, die USA (120 Milliarden Dollar) als wichtigsten Handelspartner der Asean schon bald abzulösen.

Doch nicht alle macht das glücklich. „Unsere größte Herausforderung heute ist die Vertiefung der wirtschaftlichen Integration“, sagte der neue Präsident Indonesiens, Susilo Bambang Yudhoyono. „Warum? Zwei Wörter: Indien und China.“ Viele Südostasiaten fürchten das Übergewicht Chinas – und eventuell auch Indiens in der Region.