Männer in die Krabbelgruppen

OECD-Studie: Deutsche Kitas sind zwar meist gut ausgestattet. Aber es gibt noch zu große Unterschiede zwischen Ost und West – und die Kleinen bekommen kaum einen Mann zu sehen

AUS BERLIN COSIMA SCHMITT

Hätte der Bund mehr Rechte in Bildungsfragen, dann stünden die kleinen Kinder besser da. Das findet zumindest die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD). Überall in deutschen Kitas sollten gleiche Standards herrschen. Für ein Kind muss es unerheblich sein, ob es in einer bayerischen oder einer sächsischen Kita spielt, fordert sie in ihrer „Baby-Pisa“-Studie – dem Länderbericht über die Kinderbetreuung, den Bundesfamilienministerin Renate Schmidt (SPD) gestern vorstellte.

Die Experten der OECD hatten geprüft, wie Kinder von der Geburt bis zur Einschulung außer Haus betreut werden. Sie stellten fest: In Sachen Kinderkrippen ist Deutschland nach wie vor ein geteiltes Land. Der Osten, so die Studie, taugt in vielen Aspekten international als Vorbild. Etwa jedes dritte Kind unter drei findet hier einen Krippenplatz. Im Westen sind es nur drei Prozent. Das Ostkind wird zudem intensiver betreut, mehr Erzieherinnen kümmern sich um weniger Kinder. Ein Mangel aber eint Ost und West, so die Experten: Die Erzieherinnen sind durchweg zu schlecht ausgebildet. Sie sollten die Uni oder wenigstens eine Fachhochschule besucht haben, fordert die Studie. Bislang begnügt sich Deutschland, anders als fast alle europäischen Ländern, mit einer Fachschule. Je älter das Kind, desto fähiger und besser bezahlt ist der, der es ausbildet. In dieser Hinsicht setze Deutschland falsche Prioritäten, urteilt die OECD: Es investiert nur 0,42 Prozent des Bruttoinlandsprodukts in die frühkindliche Betreuung. Vor allem bemüht es sich kaum, sein Wissen über die Kleinen zu erweitern. Die Forschung müsse ausgebaut, Daten sollten systematisch gesammelt werden.

Die Experten kritisierten auch den Männermangel in deutschen Kitas. Die Kinder sollten die Vielfalt erleben, die die Gesellschaft kennzeichnet. Daher sollte wenigstens jeder fünfte Mitarbeiter in Kita oder Hort ein Mann sein. In Wohnvierteln, in denen viele Migranten leben, müssten auch ausländische Betreuer arbeiten.

Die Studie fordert Deutschland zudem auf, die Situation der Tagesmütter einheitlich und zweckmäßig zu regeln. Noch sei ihre Lage „äußerst unbefriedigend“. Künftig aber sollten Tagesmütter besser ausgebildet und fest angestellt werden, ihr Lohn sollte dem einer Kinderpflegerin entsprechen.

Immerhin fanden die OECD-Prüfer auch etwas Licht in recht viel Schatten. So seien fast alle Kitas, Horte oder Kindergärten gut ausgestattet. Und es gelinge vorbildlich, Betreuung, Bildung und Erziehung zu verbinden. Kinder dürfen altersgerecht lernen, ein deutscher Kindergarten ist ein Hort des Spiels und keine verkappte Schule. Auch glücke es besser als in anderen Ländern, Eltern und Familien einzubinden.

Renate Schmidt immerhin sieht sich durch die Studie bestärkt. Die Ergebnisse geben ihr „erheblichen Rückenwind“, urteilte die SPD-Ministerin. Vor allem wertet sie diese als Beleg, wie richtig es war, das Gesetz zum Kitaausbau gegen den Willen der Opposition durchzusetzen. „Das, was in den ersten Lebensjahren versäumt wird, kann später gar nicht oder nur unter großen Kosten ausgeglichen werden“, sagte Schmidt. Sie mahnte aber, realistische Ziele zu setzen: Wenigstens die Leiterin eines Kindergartens sollte eine Fachhochschule besucht haben. Die Erzieherinnen, die jetzt schon in den Kitas arbeiten, müssten Weiterbildungsangebote erhalten. „Wir können die Kommunen nicht überfordern. Angesichts leerer Kassen dürfen wir keine Wunder erwarten.“

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