Für geheime Irak-Wahrheit in den Knast

Dänischer Geheimdienstoffizier verurteilt, der Regierungslüge zu Iraks Massenvernichtungswaffen aufdeckte

STOCKHOLM taz ■ Für Frank Søholm Grevil ist es eine „Demokratiefrage“ gewesen: „Die Regierung missbrauchte die Informationen, die sie vom Geheimdienst erhielt, und passte sie sich für ihre eigenen politischen Ziele an.“ Für Dänemarks Justiz ist es ein Straftatbestand. Offizier Grevil habe gegen die dienstliche Schweigepflicht verstoßen und Geheimnisse verraten. Dafür wurde er gestern in Kopenhagen zu sechs Monaten Haft verurteilt.

„Irak hat Massenvernichtungswaffen. Es ist nicht etwas, was wir nur glauben. Es ist etwas, das wir wissen.“ Drei Sätze, mit denen Dänemarks Ministerpräsident Anders Fogh Rasmussen das Parlament veranlasste, im Frühjahr 2003 den dänischen Militäreinsatz an der Seite der USA abzusegnen. Drei Sätze, die gelogen waren. Vom eigenen Auslandsgeheimdienst wusste Rasmussen, dass Saddam Hussein die vermeintlichen Massenvernichtungswaffen definitiv nicht hatte. Was ihn und Außenminister Per Stig Möller nicht hinderte, mit „Iraks Massenvernichtungswaffen“ in den entscheidenden Wochen mehr als einhundert Mal – so die Zeitung Information – zu argumentieren.

Als auch in Dänemark die Frage um die Gründe für den Irakkrieg immer eindringlicher wurden, „da merkte ich plötzlich, dass ich das Puzzleteil in der Hand hatte, um das sich die Debatte die ganze Zeit drehte“. So erklärt Grevil seinen „Geheimnisverrat“: „Ich wusste ja, was wir in unseren Berichten geschrieben hatten. Aber wenn man die Regierung hörte, hatte man den Eindruck, als ob niemand das gelesen hatte.“ Weshalb „Dänemarks David Kelly“, zu dem die Medien ihn ernannten, der Zeitung Berlingske Tidende im Februar 2004 die Dokumente zusteckte, aus denen Ministerpräsident und Außenminister immer nur das zitiert hatten, was sie für die Kriegsbeteiligung brauchten. Er habe mit seiner „Korrekturaktion“ nur das getan, was er sich von seinen Chefs erwartet hätte, „weil man unsere Professionalität angegriffen hat“. Doch Grevil wurde gefeuert, die Staatsanwaltschaft eingeschaltet.

Der 44-Jährige bereut nichts. Zwar wurde er in einigen Leserbriefen als „Landesverräter“ beschimpft, aber insgesamt habe er viel Zustimmung erfahren. Kürzlich setzte sich Daniel Ellsberg, der 1969 in den USA die „Pentagon Papiere“ veröffentlichte, in einem offenen Brief an die dänische Regierung für Grevil ein. Ellsberg hatten mit ähnlichem Strafvorwurf 113 Jahre Haft gedroht, bevor er 1973 freigesprochen wurde. Auch Grevil hoffte auf Freispruch. Denn der Paragraf 152 aufgrund dessen er angeklagt war, kennt einen Ausnahmetatbestand, wenn der Geheimnisverrat aus Allgemeininteresse geschieht. Doch laut Gericht könne für Grevil als kleines Rad im Geheimdienstgetriebe dieses Allgemeininteresse zur Rechtfertigung nicht gelten. Dabei bestätigten ihm viele Parlamentsabgeordnete, dass es nur dank seiner Courage zur Debatte über die Hintergründe der dänischen Kriegsbeteiligung gekommen war. Grevil kündigte Berufung an. REINHARD WOLFF