Folter und Missbrauch in britischer Kaserne

Laut einem geheimen Untersuchungsbericht der britischen Polizei sind in der südenglischen Deepcut-Kaserne jahrelang RekrutInnen gequält und vergewaltigt worden. Einige begingen Selbstmord, andere verstümmelten sich

DUBLIN taz ■ In einem Ausbildungslager der britischen Armee sind Rekruten systematisch gequält und erniedrigt worden, Vergewaltigungen von Rekrutinnen waren an der Tagesordnung. Das geht aus einem geheimen Untersuchungsbericht hervor, der dem Guardian zugespielt wurde.

Die Polizei untersuchte ungeklärte Todesfälle in der wegen der harten Ausbildungsbedingungen berüchtigten Deepcut-Kaserne in Surrey im Süden Englands. Zwischen 1995 und 2002 sind vier Rekruten im Alter von 17 bis 20 Jahren ums Leben gekommen. Vermutlich wurden sie in den Selbstmord getrieben. Darüber hinaus haben sich 59 Rekruten selbst verstümmelt.

Eine Rekrutin musste nackt auf dem Paradeplatz antreten. Sie wurde gezwungen, einen Gürtel anzulegen, an dem leere Dosen befestigt waren. Eine andere wurde aus der Dusche geholt und musste im Januar nackt und nass an einer Parade mit anderen Soldaten teilnehmen. Einmal sei ein Ausbildungsoffizier mit einem Fahrrad über am Boden liegende Rekruten gefahren. Die meisten RekrutInnen hatten Angst, die Torturen und Vergewaltigungen zu melden, manche hatten „freiwillig“ Sex mit Soldaten, damit sie auf dem Paradeplatz nicht gequält wurden. Der Bericht enthält mehr als 100 Anschuldigungen von Erniedrigungen und Missbrauch.

Die Täter hatten sich laut Aussagen in einem „Black Card Club“ organisiert. Wer auf seinem Bett eine Spielkarte mit einem Kreuz fand, wusste, dass er als Opfer auserkoren war. Manchmal trugen die Täter Atemschutzmasken, um ihre Identität zu verbergen. Ein Soldat, Corporal Leslie Skinner, wurde im vergangenen Monat wegen sadomasochistischen Missbrauchs in einer ganzen Reihe von Fällen zu vier Jahren Gefängnis verurteilt.

Die Polizei hat den Untersuchungsbericht an den Verteidigungsausschuss des Unterhauses übergeben. Das Verteidigungsministerium erklärte, es gebe „keine systematischen Gewalttaten oder Missbrauch“ in der Deepcut-Kaserne. Die Anschuldigungen in dem Polizeibericht seien nicht bewiesen, sagte ein Sprecher des Ministeriums. Falls aber die Rekruten, die diese Anschuldigungen erheben, nichts dagegen haben, dass ihre Namen veröffentlicht werden, könne man die Militärpolizei einschalten. Ein Sprecher der Polizei erklärte jedoch, dass sie die Informationen auf vertraulicher Basis erhalten habe und die Namen nicht veröffentlichen dürfe.

Der Bericht stütze sich allein auf Aussagen von Zeugen, sagte er. Diese Aussagen seien nicht überprüft worden, in manchen Fällen beruhten sie auf Hörensagen. „Sie müssen also mit der notwendigen und angebrachten Vorsicht betrachtet werden“, sagte der Sprecher dem Guardian. Die Polizei will den Anschuldigungen nun nachgehen und weitere Ermittlungen anstellen.

Geoff Gray, der Vater eines Rekruten, der in der Deepcut-Kaserne starb, meinte: „Der Bericht macht deutlich, dass physische und sexuelle Misshandlungen gang und gäbe waren. Die Offiziere haben weggeschaut und es zugelassen. Es muss eine öffentliche Untersuchung geben, damit alles ans Tageslicht kommt.“

RALF SOTSCHECK