There is no tralala

Am vergangenen Wochenende ging in Luzern das Modefestival Gwand zu Ende. 1993 als Schweizer Veranstaltung gegründet, zieht die Gwand mit ihrer Mischung aus Glamour und Pragmatismus mittlerweile auch die internationale Modewelt an. Ausgezeichnet wurde der Designer Haider Ackermann

VON KATRIN KRUSE

Sie kam am beiläufigsten daher und ist vielleicht darum die eindrucksvollste Kollektion gewesen. In schwarzen Ledersandalen schritten die Models heran, ohne Schwingen, ohne Wippen, nur in Gemessenheit, verhaltenen Farben und klarer Form. Haider Ackermann hat am Wochenende in Luzern den Swiss Textiles Award gewonnen, den der Schweizer Textilverband seit nunmehr fünf Jahren im Rahmen des Modefestivals Gwand vergibt. Mit 100.000 Euro gilt er als höchstdotierter Modeförderpreis. Und seit sich die Gwand, 1993 als reines Schweizer Festival begründet, vor drei Jahren international geöffnet hat, kommt die Modewelt zunehmend nach Luzern. Die sieben Finalisten, die internationale Jury unter dem Vorsitz des letztjährigen Gewinners Raf Simons, die Nominatoren: bekannte Namen allenthalben.

„Mode ist international“, sagt die Initiatorin der Gwand, Suzanna Vock – selbstverständlich, doch für den Sponsor zentral. Was könnte das besser illustrieren als ein gebürtiger Kolumbianer mit französischer Staatsbürgerschaft, der quer durch die Welt aufwächst, in Antwerpen lebt und nun einen Schweizer Preis gewinnt? Drei Jahre lang studierte Ackermann an der Antwerpener Royal Academy of Fine Arts, brach im letzten Jahr ab. War Assistent bei John Galliano und traf dann Raf Simons, der ihn 2002 zu einer eigenen Kollektion ermunterte. Seither zeigt er in Paris.

Sommer 2005, das sieht so aus: Seitlich geschnürte, schmale Hosen und Jerseyoberteile, die silbernen Stabperlen wie Armreifen darauf. Entwürfe in Grau und Braun, das ins Aubergine spielt, und wenn Pailletten schimmern, dann verhalten, matt wie Schlangenhaut. Das taubenblaue Kleid mit schmalen Trägern und spitzem, tiefem Ausschnitt, dessen Oberfläche – mit Garn in unzählige Rhomben gefügt – erscheint wie ein All-over-Origami. „Diskret“, sagt Haider Ackermann, oder „less sex, more elegance“. Oder: „There is no tralala.“ Es ist eine spezielle Spielart der Eleganz, nicht ihre pumpsige, taillenbesessene, gepuderte Form. Sie mag an das erinnern, was der Dreiunddreißigjährige als seine liebste Silhouette beschreibt: wenn in der Wüste, in den leeren Horizont hinein eine Gestalt auftaucht, ganz langsam und lang gezogen wie eine Figur von Giacometti.

Im Saal des Hotels Schweizerhof, wo endlich die große Preisfahne überreicht wird, weht bei allem Glamour, den die internationale Modewelt so mit sich bringt, ein gewisser Pragmatismus. Das Preisgeld, so heißt es, verstehe sich als „punktuelle Hilfe zum Ausbau einer internationalen Modekarriere“, und man verschweigt auch notwendige „kommerziellen Konzessionen“ nicht. Die Schweizer Textilindustrie mag nicht unbedingt modeaffin sein – von den 200 Unternehmen haben die meisten mit Garnen, Stoffen, High-Tech-Funktionsbekleidung oder medizinischen Filtertextilien zu tun.

Doch man weiß darum, dass manch einer der jungen Designer, der als Nachwuchshoffnung gehandelt wird, auf den Pariser Prêt-à-porter-Schauen zeigt und in den für einen Designer maßgeblichen Geschäften vertreten ist, dennoch kurz vorm Konkurs steht. Für Schweizer Modeabsolventen verlieh in diesem Jahr erstmals das Frauenmagazin Annabelle einen Award. Jede der präsentierten Kollektionen hatte eine eigene Handschrift. Die Griechin Sophia Kokosalaki, Designerin der Olympiauniformen, knotet, bindet, faltet Crêpe Georgette derart, dass charmant-duftige Kleider entstehen, die entfernt an die Tunika erinnern, durchaus aber straßentauglich sind. Die Londoner Textildesigner Eley Kishimoto teilen ihre Begeisterung für den farbigen Druck vom ersten Outfit an mit. Wildbunte Paisleydrucke, die langen Kniestrümpfe genäht aus demselben Material: So setzen sich die meist knielangen Kleider nach unten fort. Die beiden Engländer hinter dem Londoner Label Preen führten vor, was vom Jersey bleibt, wenn man ein wenig Streetwear davon abzieht.

Der deutsche Modemacher Lutz Huelle, schlicht Lutz, gewann den vom Versandhaus Ackermann gestifteten „Prix Prêt-à-porter“. 50.000 Euro, gebunden an den Entwurf einer kleinen Kollektion für das schweizerische Pendant zu Quelle. Katalogmode also. Ob er sich freut? „Ich bin ja auch sonst kein Snob in der Mode“, sagt er. Seine zum Kleid gewordenen Schals, die Stickjacke, die nur mehr das Schlüsselbein bedeckt: Eine Millionen Schweizer werden im kommenden Jahr seine verfremdete Alltagsmode im Katalog sehen können. Vielleicht ist ja dann zur nächsten Gwand die Schweiz schon dressed in Lutz.