Endlich etwas für die Cutter tun

Warum wir statt vom Autorenfilm eigentlich vom Editorinnenfilm sprechen müssten

Inge Schneider also bekam den Preis für den Schnitt ihres Dokumentarfilms „Die Spielwütigen“. Darauf hatte sich die Jury geeinigt, und ich war dabei. Zum ersten Mal solch ein Preis. In Köln. Dem neuen Zentrum für Montagekunst. Damit war ich Urvater unter den Urmüttern der Schnittkultur geworden, wie sie sich im Magazin Schnitt wiederfindet. Endlich auch etwas für den Cutter tun! Doch die generöse Haltung war peinlich. Für mich. Denn was die Montagekünstlerinnen und die Regisseure der zehn nominierten Dokumentar- und Spielfilme über ihre Arbeit berichteten, warf überraschend die Frage auf, wer von beiden das eigentlich ist, der dem Werk den Namen geben sollte: der Regisseur (Konzept)? Die Editorin (Gestalt)?

Thea Eymèsz, die Fassbinder-Editorin, wurde auf der Veranstaltung von Film+ geehrt. Landesvater Peer Steinbrück wieselte auf der Preisempfängerbühne des Filmförderungslandes NRW kontaktfreudig herum. Und die Eymész sagte zu den Filmen „Götter der Pest“ (1968), „Angst essen Seele auf“ (1974) und „Satansbraten“ (1976): „Besser konnte es gar nicht gehen, als dass ich vom ersten Film an, den ich in der Hand hielt, die Gestaltung mitbestimmt habe. Ich habe das umgesetzt, was ich mir vorstelle, und erst wenn ich einen Rohschnitt gemacht hatte, dann haben wir angefangen zu diskutieren. Vorher ging es nicht. Fassbinder hatte inzwischen längst den nächsten Film angefangen“. Und zu Erwin Leiser („75 Jahre Ufa“): „Aus 60.000 Meter Material rauszusuchen, das man für das wichtigste hielt, war schon eine enorme Arbeit. Das hat er mich aber immer alleine machen lassen, nachdem wir gemerkt haben, voll auf einer Linie zu sein.“

Mir fiel es wie Schuppen von den Augen. Hatte mir Regisseur Werner Schroeter, als wir 1981 in München „Liebeskonzil“ drehten, nicht selbst erzählt, dass zur selben Zeit Cathérine Brasier woanders den „Tag der Idioten“ schneide, und er müsse ja nicht dabei sein, weil sie wüsste, was zu tun ist. Man könne ja telefonieren, habe man aber nicht, und er sei neugierig, was sie aus dem Material gemacht haben werde.

Mir war das damals skurril erschienen. Und doch war es Methode. 2004, im Schnitt-Köln, klang es ganz ähnlich. Mona Bräuer bekam für „Höllentour“ 200 Stunden Material auf den Tisch. „Und nun mach mal. Bin gespannt. Tschüss“, hatte Regisseur Pepe Danquart gesagt. – Nein, hatte er nicht. Ich war nicht dabei, stelle es mir aber so vor. Mona Bräuer hätte auch einen Preis verdient. – Aus 80 Stunden Material was machen, das wurde allerdings häufiger gesagt. Und: der Regisseur kommt erst dazu, wenn der Rohschnitt fertig ist.

So. Wir sind heute im Zeitalter der Postproduktion. Und wenn die Regisseure (und Kameraleute) für die gestaltende Editorin diejenigen sind, die das Material herankarren, dann fragt es sich, ob wir das nicht genauer fokussieren müssen, wer dem Werk den Namen gibt. Im Film-Köln habe ich gelernt, dass wir vom Editorinnenfilm sprechen müssten, und das möchte ich hiermit vorschlagen. Das label Fassbinder oder Fatih Akin oder Andres Veiel mag ja bleiben. Das geht in Ordnung. Aber spannend ist es doch, wie sich mit dem Perspektivwechsel vom Konzept zur Montage auch die Sprache verändert. Mitjurorin Irene Langemann formulierte folgende Preisbegründung: Die Montage der Editorin Inge Schneider ist „sensibel und sinnlich“. Von Menschen wird „ein Bild“ vermittelt. Die Leistung ist „reif, intelligent“. Das Filmerlebnis ist „emotional und mitreißend“. – Das konnten wir unterschreiben. Guten Gewissens und rezipientennah. DIETRICH KUHLBRODT