Seid gegrüßt, Nachbarn!

Abwehrzauber: Die fetten Jahre des Arbeitsamtes haben gerade erst begonnen – direkt neben der taz

Von wegen, die tun nichts! Wie Sie sicher gelesen haben, wird der Bundesagentur für Arbeit derzeit schleppender Umbau nachgesagt. Das lässt sich aber nicht bestätigen, von diesem Kulturarbeitsplatz aus gesehen. Wenn man nämlich durch die Fenster auf der Rückseite des Berliner taz-Gebäudes blickt, wo im vierten Stock die Kulturredaktion untergebracht ist, schaut man neuerdings emsigen BA-Mitarbeitern beim Tätigsein zu. Vorgestern wurden zum Beispiel noch viele Regale in einen großen Raum getragen. Gestern waren sie schon gänzlich mit Akten gefüllt. Außerdem sieht man viele Menschen beim Kaffeetrinken (muss auch mal sein), beim Kopieren (muss oft sein) und bei Schulungen (muss ständig sein). Doch, die tun was, ganz sicher.

Seit dieser Woche also wird der Arbeitsamtsneubau auf dem Nachbargrundstück der taz bezogen. Wenn die Geschwindigkeit, in der sich das ausufernde siebengeschössige Gebäude füllt, nur beibehalten wird, sind die Zeiten der Massenarbeitslosigkeit bald vorbei. Irgendeinen Effekt muss das Tun hinter diesen tausend Fenstern einfach haben! Schließlich geht nichts verloren im Universum. Wenn wir von der aktuellen Eichel’schen Steuerschätzung mal absehen. Na ja, kleiner Kalauer.

Vielleicht funktioniert dieser Text ja als Abwehrzauber gegen etwas, was einem nun auf die Pelle rückte. Es muss aber auch einmal einfach gesagt werden dürfen, was man als taz-Redakteur mit dem nachbarschaftlichen Gebäude schon für Freude gehabt hat. Grundsteinlegung nahezu zeitgleich mit der großen Feuilletonkrise. Alle Kollegen wurden von heut auf morgen depressiv, überall (außer bei der taz) wurden Kulturstellen abgebaut; und auf der Freifläche nebenan, so erfuhr man, baut das Arbeitsamt. Da waren schon mal besorgte Blicke aus dem Fenster fällig.

Großes Hallo dann im Sommer 2003. Die Feuilletonkrise ging weiter, die depressiven Kollegen trafen sich zu Feuilletonschrumpfungskongressen; und beim Arbeitsamt wurden gewaltige Betonpflöcke in den Boden gerammt. Erschütterungen waren das, die im taz-Gebäude den Kaffee zum Vibrieren brachten. Fragen Sie taz-Autoren! Manche unverlangt eingesandten Manuskripte haben wir leider mit Kaffeeflecken retourschicken müssen. Noch als die Amis im Irak einmarschierten, meinte man, die Einschläge spüren zu können. Das waren aber bloß die Dampframmen nebenan. Und man ging nervlich zerrüttet, aber mit dem guten Gewissen nach Hause, gerade ein Opfer für die Arbeitslosen erbracht zu haben.

Wie elegant dagegen die Männer wirkten, die einige Wochen später den zum Fundament gegossenen Beton glätteten! Oh Mann, hatten die was Graziöses! Ein fröhliches Ballett führten sie auf mit ihren seltsamen Fahrzeugen, die da jenseits des Fensters würdevoll über den Beton glitten. Ach, wenn dich auch die Kulturkrise erwischt, dachte man, wirste halt Betonglätter. Besser als depressiv bleiben. Und schaut doch auch ganz super aus.

Ein gedanklicher Flirt mit dem Baugewerbe, den man allerdings an jenem Tag gleich wieder korrigieren wollte, als während einer Kulturkonferenz einmal ein gellender Schrei von nebenan herüberscholl. Es war Sommer. Die Fenster waren auf. Und der Schrei war furchtbar. Alles Bauarbeitergehämmere bei dem stetig gewachsenen Rohbau hörte schlagartig auf. Bald ertönte das Martinshorn eines Krankenwagens. Da ist man doch lieber Kulturredakteur geblieben.

Und nun hat man inzwischen also das Gefühl, dass die Feuilletonkrise zumindest eingedämmt ist. Und schon nehmen die Damen und Herren nebenan ihre Arbeit auf. Einen kurzen Gruß rüber! Lasst euch nicht ins Bockshorn jagen. Die fetten Jahre der BA haben gerade erst begonnen. Auf gute Nachbarschaft! Nun aber bitte nicht noch näher rücken. DIRK KNIPPHALS