Pisa für die Politik: Sechs, Sechs, Vier und Fünf

Auch die neue Pisa-Studie, die heute offiziell vorgelegt wird, stellt den deutschen Kultusministern schlechte Noten aus. Dabei werden die Bildungspolitiker mit ihren verdrängten Sünden von einst konfrontiert – und sie lernen nur langsam

BERLIN dpa ■ Die Kultusminister haben erneut ein schlechtes Pisa-Zeugnis erhalten. Für soziale Förderung und Chancengleichheit bekommen sie: Sechs. Unterstützung für Risikoschüler und Migrantenkinder: auch Sechs. Mathematik: Vier. Lesen und Textverständnis maximal Fünf plus. Die Versetzung der Schule ist gefährdet – wenn man die Maßstäbe der Industriestaaten heranzieht, mit denen Deutschland konkurrieren muss.

Viel ist seit dem miserablen ersten Pisa-Test vor drei Jahren geschehen. In Bundesländern wird der Ausbau der Ganztagsschule angegangen. Einigkeit besteht über mehr frühkindliche Förderung. In einem Tempo, das der Kultusministerkonferenz niemand zugetraut hatte, wurden Bildungsstandards erstellt – auch wenn sie in den 18 Monaten zwischen der Veröffentlichung von Pisa eins und dem neuen Testtermin nicht recht Wirkung entfalten konnten.

Doch nun werden die Kultusminister mit ihren verdrängten Sünden von einst konfrontiert. Seit drei Jahrzehnten gibt es robuste wissenschaftliche Belege dafür, dass Kinder aus ärmeren Familien und ohne Bücherschrank im Elternhaus im deutschen Schulsystem die schlechtesten Karten haben. In keinem anderen vergleichbaren Staat schafft es die Schule so schlecht, diese Nachteile auszugleichen.

Was die Pisa-Debatte diesmal besonders anheizt: Die neuen Ergebnisse kommen ausgerechnet zum Höhepunkt des Föderalismusstreits von Bund und Ländern auf den Tisch. Hessens Ministerpräsident Roland Koch (CDU) pocht wie fast alle seiner Amtskollegen auf ein Ländermonopol für die Bildung. Alle 16 Länder möchten am liebsten den Grundgesetzartikel über die gemeinsame Bildungsplanung von Bund und Ländern gänzlich streichen. Doch der Zustand der Schulen gilt vielen nicht gerade als überzeugendes Argument, den Ländern noch mehr Kompetenzen zu übertragen.

Dabei zeigen gerade die leichten Verbesserungen bei den Mathematikleistungen der deutschen Schüler, dass die Zusammenarbeit von Bund und Ländern bei der Bildung gelingen kann – wenn der Streit um Kompetenzen zurückgestellt wird.

Nach dem schlechten deutschen Abschneiden bei der Pisa-Vorgängerstudie Timms starteten Bund und Länder 1999 gemeinsam ein Mathematikprogramm. Sinus, zunächst an 750 Schulen gestartet, arbeitet mit dem so genannten Schneeballeffekt. Gute Ergebnisse werden von Schule zu Schule übertragen. Nach der Ausweitung auf Grundschulen soll das Programm im nächsten Jahr an über 2.000 Schulen laufen. Der Bund hält dafür 4,6 Millionen Euro bereit.

Als der Bund nach Pisa eins aber ein weiteres Programm gegen die Leseschwäche auflegen wollte, legten sich die Länder quer und versperrten zunächst die Schultüren. Nur mit viel Mühe konnte das Programm inzwischen starten.

Mit vier Milliarden Euro unterstützt der Bund bis 2007 den Ausbau der Ganztagsschule. 3.000 Schulen konnten dieses Jahr erstmals Mittagessen und Nachmittagsbetreuung anbieten. Auch wenn noch nicht alle pädagogischen Wünsche erfüllt sind, ist das ein Anfang.

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