Leichen suchen Jobs

Zombies im Arbeitsamt: Das Künstlerduo bankleer zeigte seinen Film über eine Aktion mit Arbeitslosen in der NGBK

Zombies sind in einem Zwischenstadium – weder lebendig noch tot. Das Gleiche gilt für Arbeitslose. Sehr konsequent vom Berliner Künstlerduo bankleer also, dass sie die Agentur für Arbeit in Stuttgart mit Zombies infiltrierten und einige der Arbeitslosen ebenfalls zu wandelnden Leichen umschminkten. Im Rahmen einer Aktionswoche im Arbeitsamt hatten neben den Zombies noch rote Gummibälle, eine Menge Kunstnebel und eine Yogalehrerin ihren Auftritt.

Am Dienstagabend waren bankleer – Karin Kasböck und Christoph Leitner – als letzter Teil der Veranstaltungsreihe „Prekäre Perspektiven“ in der NGBK zu Gast. Das Duo zeigte den Dokumentarfilm „raus aus der arbeit, rein in die realität!“, der den Berlinern erstmalig Eindrücke von der künstlerischen Aneignung des süddeutschen Arbeitsamtes bot.

Kasböck und Leitner betreiben seit 1999 Ökonomiekritik, seit anderthalb Jahren mit Schwerpunkt auf dem Begriff „Arbeit“. Sie reisen zu ihren Interventionen immer mit schwerem Theoriegepäck an, für das sie in ihrer Kunst prägnante, oft auch sehr spielerische Aktionsformen finden: Auf dem Münchner Oktoberfest nutzten sie beispielsweise das Fahrgeschäft „Teufelsrad“, um die Zentrifugalkräfte der globalisierten Ökonomie zu simulieren, bei der herausgeschleuderte Menschen in die Randstrukturen der Untätigkeit verbannt werden.

Ebenso prägnant wirken die Zombies: „Sie sind die Antithese zum Kapitalismus. Zombies lassen sich nicht zur Funktionalität treiben“, sagt Kasböck. Es gibt in „raus aus der arbeit …“ sehr skurrile Momente, wenn die wandelnden Leichen in den Büros Aktenberge befingern, sinnlos Anträge von Zeitarbeitsfirmen bekritzeln oder die Beschäftigten der Agentur für Arbeit durch ihre bloße Anwesenheit irritieren. bankleer hatten im Stuttgarter Arbeitsamt auch deshalb Narrenfreiheit, weil die Verantwortlichen das künstlerische Konzept zuvor nicht gelesen hatten. So wurde die Aktionswoche zur ständigen Grenzerprobung, entwickelten sich kontroverse Diskussionen zwischen Mitarbeitern des Arbeitsamts, „Kunden“ und Vertretern von Arbeitsloseninitiativen.

Auch am Dienstag in Berlin blieb bankleers Aktion umstritten – vor allem die Zombies: Waren sie für manche Zuschauer kongenialer Ausdruck der Beratungsfarce im Arbeitsamt, hielten andere sie für eine Verharmlosung. Die Situation im Amt würde zum bloßen Spiel. Leitner betonte, dass ernsthafte thematische Auseinandersetzungen und authentische Erfahrungen oft, aber nicht ständig Teil der Arbeit von bankleer sind: „Wir wollen auch einfache Gegenbilder setzen, die aufmerksam machen, dass etwas im kapitalistischen System nicht stimmt.“

Wer jetzt vermutet, bankleers Kunst sei das letzte Widerstandszucken zweier frustrierter politischer Aktivisten, der irrt. Das Gegenteil ist der Fall: Die eigene Erfahrung einer prekären ökonomischen Lebenssituation brachte Kasböck und Leitner erst zur politischen Kunst. Mit ihrer Widerstandsstrategie lieferten sie einen gelungenen Beitrag zur Reihe „Prekäre Perspektiven“, die im nächsten Jahr fortgesetzt werden soll. TIM ACKERMANN

„Raus aus der arbeit, rein in die realität“ wird im Februar 2005 in der Galerie plattform gezeigt