Widerstand zwecklos

Hannover, Oldenburg, Braunschweig, Hameln – der Hamburger Projektentwickler ECE breitet sich aus. Proteste gegen seine Shopping Malls verhallen nicht nur in der Rattenfänger-Stadt ungehört

Einzelhändler hätten sogar Hamelns City saniert, um das Center zu verhindern

Von Kai Schöneberg

Fressmeile mit Gleisanschluss, Disneyland mit Welfenmall, Tod für Tante Emma: Projekte von Europas größtem Entwickler innenstädtischer Shopping-Center stoßen nicht überall auf Gegenliebe. Jetzt also auch Hameln. Am Dienstagabend stimmte der Stadtrat für ein 20.000 Quadratmeter großes Einkaufsparadies mitten in der Rattenfängerstadt. Die Mall mit ihren 90 Läden am Pferdemarkt ist das 77. Shopping-Center der Hamburger ECE, die mittlerweile Kaufparadiese von Antalya bis Hamburg, von Prag bis Bremen betreibt.

Fast überall sprengt ECE, die zum Versand-Multi Otto gehört, mit ihrem Mega-Mix von Aldi bis H&M alte Kaufdimensionen. Und fast überall sorgen die Malls der Hamburger für die gleichen Fronten. Was passiert mit dem Rest der Händler? Veröden die Innenstädte weiter? Während in Hannover die neue Riesen-Mall am Hauptbahnhof kaum Gemüter erregte, scheiterten in Oldenburg die Grünen gerade mit ihrem Plan, eine Bürgerbefragung zum geplanten Center am Schlosspark durchzuführen. 12.000 Unterschriften sind beisammen. Und selbst die CDU ist gegen den „Schweinsgalopp“, mit dem die Stadtoberen das Projekt durchprügeln.

In Braunschweig tobt seit Jahren ein Krieg zwischen Bürgerinitiativen, Einzelhändlern und dem dortigen CDU-Oberbürgermeister. Dort wurden bereits 24.000 Unterschriften gegen ein 200 Millionen Euro teures Einkaufszentrum gesammelt, das die ECE ausgerechnet im wiederaufgebauten Herzogschloss unterbringen will. Dort würde „nur Ramsch“ verkauft, der Schlosspark, die grüne Lunge Braunschweigs, würde unnötig geopfert, kritisieren die Gegner. Die PR-schlaue ECE karrte sogar ganze Busladungen mit Braunschweigern nach Schwerin, um zu zeigen, wie schön bunt es dort im Center ist. Egal: Viele Einzelhändler fürchten die Konkurrenz. Derzeit sprechen die Rechtsanwälte.

In Hameln hatte eine Umfrage gezeigt, dass die Mehrheit der Bürger gegen das Mammut-Projekt war, die Einzelhändler-Initiative „Rettet die Altstadt“ hatte sogar angeboten, die Fußgängerzone auf eigene Kosten zu sanieren, wenn das Center um 5.000 Quadratmeter schrumpft. Dazu wird es wohl nicht mehr kommen. Der Ratsbeschluss fiel mit den Stimmen von FDP, SPD und Teilen der CDU. Immerhin will die Stadt jetzt die Fuzo selbst attraktiver gestalten, damit der Zustrom der Kunden auch zum Rest der Läden tatsächlich anhält, wenn das ECE in zwei, drei Jahren steht.

Ein Gutachten hat zwar bereits die Zukunft Hamelns mit ECE-Center in den rosigsten Farben beschrieben und dennoch nebenbei ausgerechnet, dass die Kleinen wohl bluten dürften. Von den 45 Millionen Euro, die das ECE-Center umsetzen will, würden im günstigsten Fall fünf, im schlechtesten 30 Millionen von anderen Händlern abgezogen werden. Weil der Trend zu Discountern und Filialisten anhält, müssten sich die Alteingesessenen ohnehin modernisieren, meint dazu Hartmut Thielen, Stadtentwicklungsplaner beim Deutschen Städtetag. Thielen: „Die Gefahr für die Innenstädte kommt nicht von Malls, sondern von den Einkaufzentren auf der grünen Wiese.“