Garantiemängel im Hause Otto

Die Grünen grollen, die FDP macht im Innenausschuss Druck: Schily ist eine Evaluierung der Sicherheitsgesetze schuldig. Von dem Bericht fehlt jede Spur

„Jetzt müssen endlich Fakten auf den Tisch, die zeigen: Was haben diese ganzen Anti-Terror-Gesetze wirklich gebracht?“

BERLIN taz ■ Als der Bundestag nur drei Monate nach den Anschlägen vom 11. September 2001 Otto Schilys Sicherheitspaket II absegnete, war die Aufregung groß. Kritiker warnten vor dem totalen Überwachungsstaat, sahen die Bürger unter Generalverdacht gestellt. Doch immerhin gab es für alle ein beruhigendes Versprechen: Jede der rund 100 Änderungen werde evaluiert. Die Überprüfungspflicht wurde im Gesetz verankert, SPD und Grünen war das Versprechen sogar einen Absatz im Koalitionsvertrag wert: „Wir werden bis Mitte der Legislaturperiode die Evaluierung der Anti-Terror-Gesetzgebung vornehmen.“

Diese Frist ist seit mehr als zwei Monaten verstrichen, eine Auswertung der umfangreichsten Sicherheitsgesetze in der bundesrepublikanischen Geschichte hat der Innenminister nicht vorgelegt – zum Ärger von Grünen und FDP. Stattdessen bittet Schily morgen in Berlin öffentlichkeitswirksam zur Einweihung seiner neuen Anti-Terror-Lagezentren. Nach der überfälligen Evaluierung der Anti-Terror-Gesetze gefragt, reagiert sein Ministerium indes zugeknöpft: „Es gibt dazu interne Besprechungen“, lautet die nebulöse Auskunft einer Sprecherin. „Kein Kommentar“ zu weiteren Fragen.

Der SPD-Innenpolitiker Dieter Wiefelspütz hat mehr zu berichten. Die Evaluierung laufe längst, versicherte er der taz: „Ich weiß, dass es erste Vorlagen gibt, die vom Ministerium aber noch nicht freigegeben sind.“ In der rot-grünen Koalition sorgt das Thema inzwischen für Streit: „Seit einem Jahr fragen wir regelmäßig im Ministerium nach“, empört sich die innenpolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion, Silke Stokar. Immer heiße es, der Bericht sei „in Arbeit“. Stokar findet die Bummelei „ärgerlich“. Für den Grünen-Abgeordneten Christian Ströbele passt der Fall zum Kurs des Schily-Ministeriums. Schließlich habe der Minister bisher immer nur dann ein Rekordtempo vorgelegt, wenn es um die Einschränkung von Bürgerrechten gegangen sei.

Die Liberalen, die das Anti-Terror-Paket seinerzeit im Parlament ablehnten, wollen sich von Schily nicht länger vertrösten lassen. FDP-Innenexperte Max Stadler hat das Thema deshalb für Mittwoch auf die Tagesordnung des Bundestagsinnenausschusses gesetzt. Mit einem Antrag, der der taz vorliegt, soll die Regierung ultimativ aufgefordert werden, ihren Evaluierungsbericht zu „Schily II“ vorzulegen. „Jetzt müssen endlich Fakten auf den Tisch, die zeigen: Was haben diese Gesetze wirklich gebracht?“, verlangt Stadler. Bund und Länder dürften kein drittes Sicherheitspaket beschließen, bevor die Teile eins und zwei auf ihre Tauglichkeit und Verhältnismäßigkeit durchleuchtet seien.

Womöglich liegt jedoch genau hier der Grund für die Verzögerung. Denn Schily kämpft seit Monaten für ein drittes Reformpaket – bislang erfolglos. Eine neue Debatte um Nutzen und Schaden der alten Otto-Kataloge dürfte sich der Minister da nicht herbeisehnen.

Die Grünen-Politikerin Stokar hält aber auch ein viel banaleres Motiv des Ministeriums für denkbar: „Die haben einfach nicht viel Lust, sich damit zu befassen.“ Ihre Erwartungen klingen entsprechend bescheiden. Vermutlich werde das Papier eher einem „Erfolgsbericht“ über Schilys Sicherheitspolitik gleichen denn einer wissenschaftlich fundierten Evaluierung, prophezeit Stokar: „Das sagt die Lebenserfahrung.“

ASTRID GEISLER