„Immer dieselben“

Auf die neu entfachte Multikulti-Debatte haben die Medienmacher reflexartig reagiert, sagt der WDR-Integrationsbeauftragte. Mit Klischees

INTERVIEW SEBASTIAN SEDLMAYR

taz: Herr Zambonini, was macht ein Integrationsbeauftragter, wenn die Diskussion über Zuwanderung Wellen schlägt?

Gualtiero Zambonini: Zunächst sieht er sich an, was in den Medien läuft. Dann regt er sich zum Teil darüber auf, weil bei vielen Sendungen ein einseitiges Bild der Einwanderungsgesellschaft vermittelt wird. Türken als Problem, Türken als Arbeitslose, Muslime als potenzielle Fundamentalisten. Das ist die einseitige Botschaft, die nach der Ermordung des Filmemachers Theo van Gogh durch die Medien gegangen ist. Diese Reduzierung ist eine Eigenschaft der Medienwelt: Bad news sind good news. Aber so wird leider die Ghettobildung begünstigt, die man verhindern möchte. Mich stört nicht, dass bei vielen Fernsehsendungen über die kritischen Punkte – wie „Parallelgesellschaften“ oder „Hassprediger“ – diskutiert wird. Mich ärgert, dass nicht mit den Türken selbst gesprochen wird.

Liegt das auch an den Formaten? Sind Talkshows überhaupt geeignet, differenzierte Bilder zu generieren?

Ich bin kein Gegner von Talkshows. Sie sind eine journalistische Plattform, auf der man Themen diskutieren kann. Man kann jedoch die Podien und die Themen anders besetzen. Wenn Sie bei Sabine Christiansen gucken, wer eingeladen wurde, frage ich mich: Warum erscheinen da immer die üblichen Verdächtigen? Es gäbe eine Vielzahl interessanter Personen, die zum Thema Integration viel Erhellendes zu sagen hätten. Aber in der Prime Time sind sie nicht zu sehen.

Was wollen Sie dagegen unternehmen?

Ich arbeite an einer Datenbank von Journalisten, Experten und potenziellen Studiogästen mit ausländischem Hintergrund. Ziel dabei ist, das Gesellschaftsbild, das wir in der Wirklichkeit vorfinden, auch im Programm abzubilden. Unsere Programmanalysen zeigen: Ausländer und Zugewanderte werden im WDR in der Regel als Teil der Normalität dargestellt – auch durchaus positiv. Wenn sich aber die Lage zuspitzt, haben wir plötzlich ein ganz anderes Bild: In solchen Zeiten erliegen wir als Medienmacher bestimmten Reflexen. Wir müssen schnell den Mainstream bedienen. Dann stecken wir mittendrin im Problem. Das hat damit zu tun, dass es noch viel zu wenig Journalisten mit Migrationshintergrund gibt.

Das wollten Sie mit Ihrer Integrationsoffensive im WDR ändern. Funktioniert das?

Wir haben Castings gemacht auf der Suche nach role models, nach Vorbildern. Ich bin froh, dass EinsLive für seine Nachrichtenmagazine Abelo Afhakama gefunden hat. Außerdem haben wir eine sehr gute türkische Journalistin für die WDR-Lokalzeit Düsseldorf gewonnen. Zehn Talente unterschiedlichster Herkunft haben wir zudem für eine Journalistenwerkstatt ausgewählt. Wir sind in Bewegung.

Beim WDR. Und wann gibt es einen ARD-Integrationsbeauftragten?

Es soll zunächst keinen Integrationsbeauftragten geben. Aber wir wollen die bestehenden Kompetenzzentren, wie das Funkhaus Europa oder Radio Mulitkulti, stärken und besser vernetzen.

Ein Teil Ihres Konzepts sind die eben erwähnten role models: Gibt es bald einen türkischen, griechischen oder italienischen „Tatort“-Kommissar?

Es gibt bereits türkische „Tatort“-Autoren und Regisseure, die sicher demnächst auch mehr türkische Protagonisten in ihre Filme „schmuggeln“ werden.

In dem Bereich Fiktion hat der WDR soeben den Zweiteiler „Zeit der Wünsche“ fertig produziert. Darin geht es um die Geschichte der türkischen Migration ins Ruhrgebiet. Es ist das erste deutsche Fernsehepos über die Geschichte der türkischen Migration nach Deutschland. Die Schauspieler sind alle türkischstämmig, der Drehbuchautor ist Türke und der Regisseur Deutscher. Das ist wirklich ein Multikulti-Team.

Den Begriff Multikulti behalten Sie also bei?

Nicht unbedingt. Ich bin nie ein Freund dieses Begriffs gewesen. Darunter wird oft das Nebeneinander verstanden. Ich bin eher für den Begriff „interkulturell“. Der sagt mehr über den Austausch, den Dialog, den wir dringend brauchen.