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Ab heute ist Schluss mit „Sex and the City“ (Pro7, ab 20.15 Uhr). Vergesst Carrie & Co. Denn die Welt gehört längst den „Desperate Housewifes“

So wie die vierfache Mutter Lynette könnte Miranda in fünf Jahren aussehen

AUS COLUMBIA CARLA PALM

Wisteria Lane liegt in einem typisch amerikanischen Vorort. Eine Straße mit schicken Häusern, gepflegten Vorgärten, weit draußen. Da, wo das lustvolle Leben endet. Kaum vorzustellen, dass hier Aufregendes passiert. Doch in Wisteria Lane spielt „Desperate Housewives“, seit Wochen der Quotenrenner im US-Fernsehen und legitime Nachfolgerin von „Sex an the City“

Vordergründig ist das ganze bloß die amüsant erzählte Auflösung eines mysteriösen Selbstmordes, doch dahinter verbirgt sich ein umso schärfer gezeichnetes Gesellschaftsbild. 25 Millionen ZuschauerInnen schalten jeden Sonntagabend das zum Disney-Konzern gehörende Network ABC ein, auf dem die Kultserie läuft. Beim Finale von „Sex and the City“, das nur auf dem Bezahlkanal HBO zu empfangen war, saßen gerade einmal halb so viele vor dem Schirm.

Denn die „Housewives“, die in Deutschland bisher Premiere-AbonnentInnen vorbehalten sind (heute, 22 Uhr, Premiere 3), wohnen zwar nicht New York, doch der matt glänzende Suburbia-Schein trügt. Wenn die Ehemänner ihre SUVs aus der Garage setzen und zur Arbeit fahren, pulsiert das Leben in den Vorzeige-Haushalten. Gleich in der ersten Folge erschießt sich aus noch ungeklärten Gründen Mary Alice, die von nun an die Geheimnisse von Wisteria Lane als allwissende Erzählerin preisgibt: Gabrielle betrügt ihren Mann, Lynette nimmt Aufputschmittel, weil sie sonst unter der Hausarbeit zusammenbrechen würde, Susan zündet aus Versehen das Haus von Edie an und Bree muss vertuschen, dass ihr betrunkener Sohn die Nachbarin überfahren hat.

Die Frauen in „Desperate Housewives“ laufen nicht mehr von Date zu Date wie die Mädels in „Sex and the City“. Sie haben sich entschieden: Hochzeit, eigenes Haus, Kinder. Und seitdem nagt die Frage nach dem Wozu: „Er gab mir alles, was ich mir wünschte. Nur stellte sich heraus, dass ich mir die falschen Dinge gewünscht habe“, sagt Gabrielle über ihren so reichen wie gefühlskalten Gatten. Und lässt sich von der Verzweiflung in die Arme des liebevollen Gärtners treiben.

Lynette scheitert derweil an ihren vier unkontrollierbaren Kindern. Der Exkollegin im Supermarkt antwortet sie zwar noch auf die Frage nach der Mutterrolle: „Es ist der beste Job, den ich jemals hatte.“ Doch wenn ihre Zwillinge dazu ein Regal mit Getränkedosen umlegen wird schnell klar, wer hier lügt.

Nicht nur quotenmäßig haben die „Verzweifelten Hausfrauen“ die Freundinnen aus „Sex and the City“ überholt. Vergessen sind Carries Schuh-Tick und Samanthas Sexfantasien. An Stelle von Mode-Ikone Sarah Jessica Parker setzen nun die konservativ-attraktiven Housewives die Trends in der amerikanischen Regenbogenpresse. „Sind Carrie und Co. nach Wisteria Lane umgezogen?“, fragte US Weekly und stellte „schockierende Ähnlichkeiten“ zwischen den beiden Serien fest. Denn Eva Longoria erinnert als modebewusste, manchmal zickige Gabrielle sehr an Carrie Bradshaw, wenn sie mit ihren Stöckelschuhen einem Nachbarmädchen das Fahrradfahren beibringt und anschließend über Muskelkater in den Waden klagt. Die blonde Nicolette Sheridan zeigt als Edie die gleichen Qualitäten wie die freizügige Samantha. Und so wie Felicity Huffmann die vierfache Mutter Lynette spielt, könnte Miranda in fünf Jahren aussehen: von der Karrierefrau aus der Anwaltskanzlei ab ins Kinderzimmer zum Windelwechseln. Die Küche der superpeniblen, gluckenähnlichen Bree glänzt derweil, als hätte Charlotte sie gewienert, nachdem sie mit ihrer Familie von New York in einen Vorort umgezogen ist.

Der Erfolg von „Desperate Housewifes“ liegt an den wirklich großartigen Darstellerinnen. Sie entfesseln Kräfte, vor denen sich jeder Mann, der glaubt, seine Frau würde brav Heim und Hof hüten, fürchten muss. Deshalb ist „Housewives“ auch keine typische Frauensendung – immerhin 44 Prozent Männer gucken zu. Wisteria Lane hat trotz des englischen Gleichklangs nämlich nichts mit Hysteria zu tun. Sondern ist nach einer immergrünen Pflanze, der Glyzinie (Blauregen), benannt. Einer ziemlich giftigen übrigens.