Verfassung verurteilt
: Dem Volk wird nicht gefolgt

Es ist ein Begräbnis erster Klasse, das Senat und Verfassungsgericht der noch jungen Hamburger Volksgesetzgebung verpasst haben. Die BürgerInnen dürfen zwar Gesetze erlassen, doch scheren muss Volkes Wille die Regierenden deshalb noch lange nicht. Ein ernsthaftes Gesicht aufsetzen und über Volksentscheide ein bisschen parlamentarisch beraten – das reicht, um sie anschließend anstandslos wieder vom Tisch zu wischen. Das Hamburger Verfassungsgericht hat damit eine Gebrauchsanweisung zur Produktion von Politikverdrossenheit formuliert. Und das auch noch im Namen des Volkes.

Kommentarvon Marco Carini

Nimmt man den Senatsplan hinzu, die Hürden im Volksentscheidsverfahren auf Stabhochsprung-Niveau zu erhöhen, wäre es konsequenter und vor allem wesentlich aufrichtiger, die Volksgesetzgebung komplett abzuschaffen. Volksentscheide, deren Organisationsaufwand kaum leistbar ist und deren Resultate nur bei Bedarf interessieren, braucht wirklich niemand in dieser Stadt. Als Alibiveranstaltung sind sie zu teuer, als Instrument der direkten Demokratie seit gestern ungeeignet.

Nur eine Alternative zum Todesstoß für die Volksbeteiligung bleibt noch offen: Verfassung ändern, Volkes Voten für rechtsverbindlich erklären und damit Senat wie Bürgerschaft versagen, den Bürgerwillen zu drehen und zu wenden, bis er passend gemacht ist.

Die CDU-Pläne zur Reform des Volksentscheidsverfahrens und das Durchpeitschen des LBK-Verkaufs gegen die Mehrheitsmeinung der BürgerInnen aber weisen in die entgegengesetzte Richtung: Hamburgs Regierende wollen die Macht partout nicht mit ihren WählerInnen teilen.

Wenn diese ihre „Volksvertreter“ beim nächsten Wahl-Gang dennoch im Amt bestätigen, haben sie die Macht in ihren Händen allerdings auch nicht verdient. Denn ohne mündige BürgerInnen wird eine direktere Demokratie kaum funktionieren.