„Bild“ gegen Trittin: Streit um Dutschkestraße

Soll die Kochstraße Rudi-Dutschke-Straße heißen? Erste Reaktionen auf den taz-Vorstoß sind gespalten. Jürgen Trittin hält die Umbenennung für überfällig, Eberhard Diepgen für übertrieben. Am Dienstag berät das Bezirksamt den Antrag

Die taz gab den Anstoß, jetzt wird diskutiert: Gibt es bald eine Rudi-Dutschke-Straße, wo heute noch die Kochstraße verläuft? Am Donnerstag stellte Karl-Heinz Ruch – einst Mitbegründer, jetzt Geschäftsführer der taz – einen entsprechenden Antrag bei der Bezirksverordnetenversammlung (BVV) Friedrichshain-Kreuzberg. Hintergrund der Initiative: der bevorstehende 25-jährige Todestag Dutschkes am 24. Dezember. Die Leitfigur der Studentenbewegung erlag 1979 den Spätfolgen eines im Jahr 1968 verübten Attentats. Der Vorschlag zur Umbenennung stößt dabei auf geteilte Meinungen.

Edda Fels, Sprecherin der Axel Springer AG, gratulierte der taz zu deren „Talent, mit PR-Aktionen die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit zu erlangen“. Generell warte der Konzern auf einen Entschluss der BVV und wolle sich in diese Angelegenheit keinesfalls einmischen. Dennoch bemerkte Fels: „Die Kochstraße ist ein Synonym für die Berliner Pressegeschichte. Ich kann auch nicht wirklich den Bezug von Rudi Dutschke zur Kochstraße sehen. Warum beantragt man nicht, den Ku’damm in Dutschkedamm umzubenennen?“

Bundesumweltminister Jürgen Trittin sieht das ein wenig anders. Für ihn sei die Namensänderung längst überfällig. Trittin erkennt darin auch eine gewisse Ironie: „Dann hätte künftig Bild die Dutschkestraße als Berliner Adresse. Bild hat in den Sechzigern mit ihrer Kampagne das Klima der Gewalt miterzeugt, in dem die fatalen Schüsse auf Dutschke fielen.“

Trittins Mitstreiter Christian Ströbele ist zwiegespalten. Generell habe er nichts gegen eine Würdigung von Dutschke als Sprachrohr der Studentenbewegung, die Einrichtung eines Rudi-Dutschke-Preises halte er allerdings für angemessener. Dieser solle an Menschen verliehen werden, die Dutschkes Ideen realisierten und inhaltlich für seine Ideale eintreten.

Der Sohn des APO-Mitbegründers, Rudi-Marek Dutschke, begrüßte den taz-Vorstoß. Er sei sich jedoch unsicher, ob sein Vater diese Form der Ehrung befürwortet hätte: „Es wäre aber die Würdigung einer sehr positiven Bewegung“, so Dutschke junior.

Berlins ehemaliger Regierende Bürgermeister Eberhard Diepgen (CDU) wartete mit einem Sprichwort auf: „Der Berliner sagt dazu: ‚Hastes nich ’ne Nummer kleener?‘ – Die Kochstraße verbindet Berlin mit einem großen Stück Geschichte.“ Diepgens klares Nein zum taz-Vorstoß wird vom parlamentarischen Geschäftsführer der CDU-Fraktion im Abgeordnetenhaus, Frank Henkel, noch getoppt: „Eine Umbenennung ist überflüssig wie ein Kropf.“ Die Kochstraße sei Symbol des Kalten Krieges und der Vorschlag daher völlig indiskutabel. Außerdem gebe es bereits den Rudi-Dutschke-Weg in Dahlem und das taz-Haus trage seinen Namen. Alles Weitere würde Dutschke „inflationär würdigen, was seiner historischen Bedeutung in keiner Weise entspricht“. Zudem habe Dutschke zur Radikalisierung der Studentenschaft beigetragen und das parlamentarische System als unbrauchbar abgelehnt.

Hingegen begrüßte Ingeborg Junge-Reyer (SPD), Senatorin für Stadtentwicklung, die taz-Initiative. „Es wird Zeit, dass eine Straße nach Rudi Dutschke benannt wird“, betonte die Sozialdemokratin. Sie verwies jedoch auf die Zuständigkeit des Bezirks Friedrichshain-Kreuzberg.

Riza Baran (Grüne), BVV-Vorsteher des Bezirks, bestätigte den Eingang des Antrags, den er an die Fraktionen zur Beratung weitergeleitet habe. Am Dienstag wird Bezirksbürgermeisterin Cornelia Reinauer (PDS) die Umbenennung im Bezirksamt zur Diskussion stellen. Unklar ist, ob das Thema bereits am Mittwoch in der BVV auf der Tagesordnung steht oder erst im Januar.

ANNA MECHLER, SONJA FRANK

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