Leopardin geht shoppen

Unnütz akademisch: Die Ausstellung „Formalismus. Moderne Kunst, heute“ hält, was sie verspricht

Im Grunde unseres Herzens sind wir alle Formalisten, achten wir auf die Form, nicht den Inhalt. Wir schmücken den Weihnachtsbaum so, dass keine Lücken im Tannengrün bleiben. Wir kaufen Handbücher über die korrekte Anlage von Serviettenfalten, Blumenbeeten und Wohnzimmer-Interieurs im spanischen Stil. Auf künstlerischer Ebene hat Kunstvereinsdirektor Yilmaz Dziewior der Frage nachgespürt, welche gestalterischen Neuerungen die junge Kunst hervorbringt.

24 junge KünstlerInnen präsentiert er in der Ausstellung „Formalismus“ – ohne dabei allein auf den Hype „Malerei“ zu setzen. Mit dem Untertitel „Moderne Kunst, heute“ bringt er die Schau spitz in Stellung gegen inhaltslastige Ausstellungen wie die letzte documenta. Doch auch Dziewior kann Form und Inhalt nicht losgelöst voneinander betrachten. Ironie? Fehlanzeige!

Sterilisiert zudem durch den weißen Raum mit seinen aufgeräumten Abständen zwischen den einzelnen Werken und begleitet von schwer philosophierenden Katalogtexten, können sich die wenigsten Kunstwerke entfalten. Hier und da werden Inkjet-Tinte, Chlor, Kugelschreiber, Edding und Nagellack zum Malen von Rechtecken, Streifen, Linien und Halbkreisen verwendet. Von den Decken hängen Mobiles aus zersägten Stuhllehnen und Draht herab. An allen Ecken und Enden sind goldene Aschenbecher angedübelt – im, ach, Rauchverbot.

Dass mit abstrakter Malerei zur Zeit kein Blumentopf zu gewinnen ist, das weiß auch Anselm Reyle, der in seinen Bild-Kompositionen trotzig moderne Farbkombinationen erforscht: Tarngrün neben Neongrün neben Goldblech neben Silberfolie. „Vielleicht bin ich ja altmodisch“, sagt er. Vielleicht.

Etwas gewitzter der Brite Jonathan Monk. Er bastelte aus Sol LeWitts „Cube“-Fotoserie (1988/90) einen Endlosfilm und setzte daneben Zitate des Inspirators. Die von Übersetzungsagenturen zwischen Deutsch und Englisch hin- und herübertragenen Zitate erzeugen aber nur ein minimales Bedeutungsflimmern. Am Antipoden „Inhaltismus“ – das meint das Vorwort doch hoffentlich ironisch – mühen sich dann andere ab. Ganz dezent, versteht sich, denn im Vordergrund steht die Form. Die Klassenhierarchie zwischen Reitpferdebesitzern und Bauern beklagt David Lieske in seiner Arbeit „Case Arse“.

Und den Jagdtrieb des Kunstmarktes spiegelt Michael Krebber im liebevollen Blick einer Leopardenmutter, die auf einen bepinselten Kopfkissenbezug gedruckt ist und den Betrachter anguckt. So ernst und regungslos wie all die anderen Kunstwerke in ihrer Umgebung. Vielleicht würde sie auch lieber shoppen gehen. Christian T. Schön

Di–So 11–18, Do bis 21 Uhr, Kunstverein, bis 9. Januar 2005,