„Ein-Euro-Jobs sind gut für die Statistik und mies für die Arbeitslosen“, sagt Gaby Gottwald

Ab dem 1. Januar gibt es keine ABM mehr, dafür Ein-Euro-Jobs. Funktionieren wird das nicht

taz: Frau Gottwald, Sie leiten einen Beschäftigungsträger und haben entschieden, Ende 2004 dichtzumachen. Warum?

Gaby Gottwald: Es wird nur noch Ein-Euro-Jobs geben im nächsten Jahr – und wir finden das sozialpolitisch unverantwortlich, arbeitsmarktpolitisch sinnlos und betriebswirtschaftlich rechnet sich das auch nicht für uns. Deshalb machen wir da nicht mit.

Die Bundesregierung argumentiert, dass viele Langzeitarbeitslose erst mal wieder an regelmäßige Arbeit herangeführt werden müssen …

… es geht um die Erprobung der Arbeitswilligkeit. Deshalb sind die Jobs ja auch ab Januar verpflichtend. Das repressive, die Statistik bereinigende Moment, ist das Hauptmotiv für dieses Programm. Für die Betroffenen bringen die Ein-Euro-Jobs perspektivisch gar nichts, weil sie für die Reintegration in den ersten Arbeitsmarkt nichts bringen.

Aber ABM-Stellen hatten doch dasselbe Problem: Auch die führten kaum auf den ersten Arbeitsmarkt. Wo ist der Unterschied?

ABM war ein viel kritisiertes und schwieriges Instrument, um Leute wieder auf Dauer in den Arbeitsmarkt zu kriegen. Das Dämliche ist, dass genau die Leute, die deswegen gegen ABM waren, heute für Ein-Euro-Jobs sind. Wenn man aber an die Integrationsmöglichkeiten denkt, war ABM besser, weil man einen wesentlich höheren Anteil an Qualifizierung hatte und die ABM-Jobs viel zielgruppenorientierter waren. Wir hatten in der Regel mit jungen unqualifizierten Langzeitarbeitslosen zu tun. Wir hatten im Schnitt Übergangsquoten von ca. 30 Prozent oder mehr. Das ist mit Ein-Euro-Jobs nie zu erreichen.

Wie sah das konkret aus?

Wir haben in unseren Werkstätten sinnvolle Produkte für Leute hergestellt, die keine Kaufkraft haben. Insofern war die Arbeit zusätzlich, weil sie am Markt nicht existieren konnte. Aber zugleich haben die ABM-Leute dabei etwas gelernt, was im Prinzip marktrelevant ist.

Warum soll das nicht auch mit Ein-Euro-Jobbern gehen?

Weil man für 300 Euro keine eigenen Betriebsstätten aufrechterhalten kann. Die Wirtschaftsbehörde und die Bundesagentur für Arbeit haben hier in Hamburg einen wahnsinnigen Preiskampf initiiert mit dem Ergebnis, dass mindestens drei Viertel aller klassischen Beschäftigungsträger nach dem jetzigen Verfahren keine Ein-Euro-Jobs fürs nächste Jahr bekommen haben. Die jetzt den Zuschlag bekommen haben, sind auf Kooperationspartner angewiesen. Auf Deutsch: Sie bieten die Leute wie Sauerbier an. Da werden Branchenbücher durchtelefoniert, der ganze sozialpolitische, sportliche, kulturpolitische Bereich – alles, was irgendwie aussieht nach öffentlichem Interesse.

Wird es 600.000 solcher Abnahmestellen geben?

Nein, das glaube ich nicht. Die Ausschreibungen, die jetzt gelaufen sind, waren jedenfalls wesentlich niedriger. Aber selbst wenn nur die Hälfte der Ein-Euro-Jobs eingerichtet werden, wären das noch immer ungeheuer viele, die im gewerblichen und im sozialen Bereich tätig sein soll. Schon aufgrund der hohen Zahl wird es nicht möglich sein zu überprüfen, ob das tatsächlich zusätzliche Tätigkeiten sind.

Vorlesen im Altenheim, spielen mit Krankenhauskindern – so was fällt heute wegen Personalmangels weg und ist doch sinnvoll.

Wenn die Ein-Euro-Jobber nur zusätzliche Arbeit machen sollen, müsste man diese auch zusätzlich finanzieren und organisieren – was noch eine weitere Aufgabe für die Festangestellten bedeuten würde. An einer solchen zusätzlichen Arbeitsverdichtung hat aber niemand Interesse, am eigenen Nutzen für die Organisation wohl. Schon deshalb werden die Einsatzbetriebe die Ein-Euro-Jobber irgendwie im regulären Betrieb einsetzen. Vielleicht sind es erst Honorartätigkeiten, die entfallen. Im Endeffekt werden die Ein-Euro-Jobs auch reguläre Arbeitsplätze verdrängen.

Es gibt Langzeitarbeitslose, die bei ihnen nahe stehenden Initiativen anfragen, ob sie nicht dort arbeiten können. Wenn schon Ein-Euro-Job – kann man die nicht auch so, also sinnvoll, nutzen?

Gesellschaftspolitisch ist doch das Ehrenamt als freiwilliges Engagement ganz anders gedacht als wenn Leute aus einer Notsituation heraus sich dort als Ein-Euro-Jobber bewerben. Das schlecht funktionierende Ein-Euro-Programm schlägt dann womöglich auch noch gut funktionierende ehrenamtliche Strukturen tot. Und selbst wenn die Person engagiert ist und passt: Nach sechs oder zehn Monaten hört sie wieder auf. Und was passiert dann? Dann kommt vielleicht jemand anders, der keine Lust hat und sich nicht eignet.

Die ersten Ein-Euro-Jobs sind jetzt aber weggegangen wie warme Semmeln. Offenbar finden viele Leute das besser, als zu Hause zu sitzen.

In Zukunft werden nicht mehr Freiwillige gesucht – die Arbeitsagentur wird die Ein-Euro-Jobber aussuchen. Und weil damit die Arbeitsbereitschaft getestet wird, liegt es nahe, dass dann wohl nicht mehr jene zugewiesen werden, die das gerne machen wollen, sondern genau die anderen. Absehbar ist, dass viele Leute aus der Existenzsicherung gedrängt werden, indem man ihnen unzumutbare Tätigkeiten anbietet. Das wird insbesondere bei Jugendlichen der Fall sein, weil denen ja ein Angebot gemacht werden muss. Und wenn die ein paar Mal ablehnen, dann verschwinden sie aus der Statistik. INTERVIEW: ANNETTE JENSEN