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: Käsebrötchen als Wurfgeschoss

Das kritische Fanbündnis Baff verleiht den „Goldenen Schlagstock“ dem SC Freiburg, weil dort besonders hart mit Fans umgesprungen werde

Freiburg: friedliches, grün regiertes Idyll mit solarbedachtem Fußballclub. Ausgerechnet hierhin verleiht das Baff (Bündnis aktiver Fußballfans) den „goldenen Schlagstock“ für eine „willkürliche oder brutale Behandlung friedlicher Fußballfans“? Der Klischeebruch ist kalkuliert, vielleicht ein wenig zu offensichtlich. Baff-Sprecher Johannes Stender bestreitet dann auch gar nicht, dass es bei der Preisverleihung um „das Aufzeigen von generellen Missständen“ ging. Dennoch sei die Ehrung alles andere als willkürlich.

Als Beleg zitiert Stender zwei Vorfälle aus diesem Jahr: Die Misshandlung eines VfB-Stuttgart-Fans, dem ein Polizist zwei Zähne ausschlug, hatte im Frühjahr für Aufsehen gesorgt. Der 16-Jährige wurde in Kollektivhaft genommen für eine 100-köpfige Gruppe von Fans, die am Spieltag lautstark durch die Freiburger Innenstadt marschierte, wobei im Bahnhof zwei Glasscheiben zu Bruch gingen. Nachdem der Vater des daran unbeteiligten Minderjährigen Anzeige gegen die Polizei erstattet hatte, stellte der Verein ein bundesweites Stadionverbot aus – gegen den Vater.

SC-Manager Andreas Bornemann ist schockiert über das Law-and-Order-Image, zumal man die „Namensverwechslung“ mittlerweile korrigiert habe. Außerdem weise man den vereinseigenen Ordnungsdienst an, „sich im Stadion ein eigenes Bild zu machen“. Doch in den meisten Fällen folgt auch der SC den Empfehlungen der Polizei und spricht die von ihr geforderten Stadionverbote aus. Das ist umso bedenklicher, als die Polizei nicht verpflichtet ist, ihr Beweismaterial offen zu legen. Und so werden schon mal Menschen mit bis zu fünf Jahren bundesweitem Stadionverbot belegt, die wie im zweiten von Baff angeführten Beispiel eigentlich einen Preis für Zivilcourage verdient hätten. Im Oktober wurden Mainzer Fans mit Stadionverbot belegt, die nicht untätig zusehen wollten, wie sich Rechtsradikale in ihrem Block produzierten. Frank Trautwein, Fanbeauftragter der Rheinhessen, glaubt, dass bei einem konsequenten Vorgehen der Ordner die Eskalation hätte vermieden werden können. Lange bevor es zu den „wilden Keilereien, die auf Band festgehalten sind“ (Bornemann) gekommen sei, hätten Fans darauf aufmerksam gemacht, dass sich Neonazis im Block befänden. „Solange die nichts machen, machen wir auch nichts“, sei ihnen von den Ordnern beschieden worden. Selbst nachdem der Hitlergruß zu sehen war, sei nichts passiert. Erst als empörte 05-Fans das Problem selbst in die Hand nahmen, schritt die Polizei ein und verhaftete alle Beteiligten. Mehrere Mainzer dürfen nun bis zu vier Jahre lang kein Stadion mehr betreten.

Das Problem ist wohl ein Grundsätzlicheres: Während jeder andere Bürger, der an einem Spieltag aus dem Zug steigt, frei entscheiden kann, ob er zunächst über den Weihnachtsmarkt bummelt oder direkt ins Stadion geht, gilt das für Fußballfans nicht: Die Freiburger Polizei, die jüngst auch bei einer linken Demo alles andere als zimperlich vorging, war erbost über die Stuttgarter Fans, weil die sich den Zugang zur City nicht verbieten lassen wollte. Hinzu kommt, dass einem Fan de facto der Rechtsweg versperrt ist. Ihm muss nicht einmal nachgewiesen werden, dass er zurecht verhaftet wurde. Umso legitimer ist die Baff-Forderung, die Umkehr der Beweislast rückgängig zu machen und in einem ersten Schritt die Betroffenen überhaupt erst einmal anzuhören.

Im Vorfeld der WM 2006 will sich kein Verein vorwerfen lassen, die Sicherheitsfrage zu lax anzugehen. In vielen Stadien wird deswegen mit Kanonenkugeln auf Fliegen geschossen. Dass die Behandlung der Gästefans in Freiburg „unangemessen“ sei, moniert die Baff-Laudatio dann auch zu Recht. Da musste mancher im Dezember seine Schuhe ausziehen, anderen wurde ein Käsebrötchen oder Schokoriegel („gefährliches Wurfgeschoss“) konfisziert, generell bleiben Transparente und die bei jüngeren Fans beliebten Doppelstockhalter am Stadioneingang. Ralf Hettich von den „Natural Born Ultras“ berichtet, dass sich das mittlerweile in der Liga herumgesprochen habe: „In Gladbach wurde uns gesagt, dass wir nichts in den Block mitnehmen dürfen, weil ihnen selber in der Vorsaison bei uns alles abgenommen wurde.“

In der Opferrolle, die ihnen die Baff-Erklärung zuschreibt, mögen sich die SC-Ultras dennoch nicht sehen: „Wir werden nicht verfolgt, das wäre übertrieben zu sagen.“ Dass ihre Choreografien verboten würden, weil der angeblich hohe Papierverbrauch nicht zum Ökoimage des Vereins passe, sei dennoch einigermaßen lächerlich.

So albern und teilweise empörend die aufgeführten Vorfälle auch sein mögen, sie sind in der Mehrzahl der deutschen Fußballstädte gang und gäbe. Vielleicht wäre es konsequenter gewesen, dieses Jahr gleich 18 Schlagstöcke zu verleihen. Für jeden Bundesligisten einen. Beim SC will man sich nun gesprächsbereit zeigen. Falls ein Mainzer Fan zu Unrecht belangt worden sei, solle „der sich melden, dann könnte man über eine Rücknahme reden“.

CHRISTOPH RUF