Papier – Computer 0:3
:

Fünfundvierzig Grad, es staubt

Schattenfern: Die Sonne waltet.

Ach, wie leichthin schützt das Haupt

Da ein Laptop (aufgefaltet).

Weil Papier die Schleimhaut quält,

Ist die Tastatur von Nutzen,

Will man sich in Wald und Feld

Rückstandsfrei den Arsch abputzen.

Und erschlägst du eine Mücke,

Wähle deine Waffe, weil:

Bricht die Zeitung auch in Stücke,

Bleibt ein Rechner doch meist heil.

Tscha. Die Zeitung ist besiegt.

0:3, da heißt’s verstummen.

Grad der Kluge unterliegt

Keinem lieber als dem Dummen.

Der alte Abonnent

Vorhang auf – man sieht, wie einer liest

Hingemümmelt unter wollnen Decken

Lacht er über TOM©, derweil er niest

Und die Zeitung zeitigt erste Flecken

Und der Greis lacht fort. Sein welker Mund

Spinnt der Wahrheit seidne Fäden weiter

Junge Freude seilt aus altem Schlund

Dann kommt Hunger auf. Na, das wird heiter!

Lauchsuppe, aus Kostengründen dünnlich

Schlingt er runter, so sie runtergeht

Der Eckenga-Vers wie übersinnlich

Lauchgrün schwimmt zur Neddens Strafplanet

Tief getröstet saugt er dann am Roten

Schluckt und spuckt und sabbert auf die taz

Abends putzt er sich mit ihr die Pfoten

Denn schon morgen, dank dem Zeitungsboten!

Kommt der tagesfrische Schlabberlatz

Betr.: Zeitungshonorar

Dreißig Mio € / anno

Kriegt manch frecher Hundt und mehr.

Ich bekomm für diese Strophen

Grad mal folgendes Salär:

Eine Mio für die erste,

Für die zweite Strophe zwei,

Schlappe sechs für jede weitre,

Also schreib ich besser drei:

Lalala, die Welt ist schlecht

Und Frau Spears vergeben, fuck,

Ach, wie ist das ungerecht –

Neun Millionen Geld im Sack.

Fried den Hütten!

Die ersten Zeitungen,

Das weiß ich

Vom Studium

(Gesamthochschule),

Waren Mitteilungen

Für Kaufleute –

Hahaha! Von daher

Also diese bis heute

Stinkenden Wirtschafts-

Seiten: als ob die

Halunken je

Leasen, Pardon:

Lesen Konten...

Tochter Rosa (1 1/2)

Rosas Worte – Rosa spricht! –

Rosas Worte machen keinen

Sinn. Und grade dies besticht:

Daß sie Sinn zu machen meinen

Wie die Worte jener Spalten,

Die – nuja, man ahnt es schon –

Die sich für gemachte halten:

Leitartikel, Feuilleton

Kleine Galerie

Aus dem Munde spricht der Geist

Mit dem Hintern wird gescheißt

Nur die FAZ ist, ei wie putzig

Hinten klug (weil vorne schmutzig)

*

Die FR, die FR,

Sie vertritt seit alters her

Positionen der Gewer-

Kschaften und der CSU,

Buh!

*

Es gibt nichts Miestes,

Außer: man liest es.

Laßt uns drum in Zornesröten

Bildleser und -innen tadeln

*

Beide, ach, muß ich verlassen

Einen Menschen, einen Lokus

Finde ich auf eines Freundes

Toilette einen Focus

*

Doch die Hauptstadt gar nicht dumm

Wühlet gern in Gold herum

Und verschlinget sehr adrett

Statt BZ die New York Times

*

Ein jeder Pickel und Abszeß

Ist da, uns zu beglücken

Drum hegt der Kölner den Express

Anstatt ihn auszudrücken

*

Hast du einen zu beschenken

Der dir gar nicht recht gefällt

Spare Dir Geschenk und Schleifchen

Knülle Müll in eine Welt

*

Freundin, Woman, Elle, Amica

Glamour, Emma, Joy, Jasmin,

Cosmopolitan, Allegra,

Für Sie, Petra: Bild der Frau

Tochter Rosa (2 1/2)

Plötzlich tritt sie, von Magie umhüllt

Und aus dieser schon herausgegriffen

In sein Arbeitszimmer, das sie füllt

Und auf Zeit-Lektüre ist gepfiffen

Denn dies Leben schlägt noch, das da brüllt

Lauthals und wie Tiere ungeschliffen

Hält sie ihm ein buntes Kinderbild

Wie Ertrinkende in grauen Schiffen

Hin mit Händen, die sie nicht mehr weiß

Die im Spiel zerrissen, was sie fügten

Und er schenkt den Politikteil: Hier …–

Und sie nickt; und kehrt bald tränenheiß

Laut zurück zu ihm, dem „höchst“ Vergnügten!

Ich bin gegen billiges Papier

Füllvers

Morgens an gedecktem Tisch,

abends um den Kneipentresen,

im Café wie Bahnhofsbistro

kann man prima Zeitung – ja, was

eint die jüngst genannten Orte?

Stehen sie für lange Leitung?

Oder lesen Zeitungsleser

hier in ihrer – Tagesmutter?

Quatsch, doch näher rückt die Wahrheit!

Und wie schön sind die Vogesen!

Wahr und schön: An diesen Orten

kann man prima Rotwein schaufeln.

Dichtung und Wahrheit

Gut, dieses frische Erwachen

Gut, diese Kirsche auf krustigem Brot

Gut, sie zu schmecken: so rund und so rot

Gut, dieses leise Entfachen

Des Lebens und Lesens:

Die gute Nachricht, der feste Biß

Und das Wetter: wie herrlich!

Gut, dieses Kratzen im Rachen

Gut, diese Matsche auf schlabbrigem Brot

Gut, das zu schmecken: Rund macht’s der Tod

Gut, dieses bittere Lachen

Des lesenden Wesens:

Die gute Nachricht ist zwar Beschiß

Doch die schlechte: wie ehrlich!

Tochter Rosa (3 1/2)

„Papa-a?“

„Ja, mein Kind?“

„Wenn du dich zur Frühstücksbutter

allen Blicken meiner Mutter

dank der Zeitung stumm entziehst;

wenn du ganztags wie besessen

liest und auch beim Abendessen

jene arme Frau nicht siehst,

die du nahmst im Sog der Triebe –

Ist sie das? Die reife Liebe?“

„Kannst du die Frage noch mal wiederholen?“

Kleine Typenkunde

Leserbriefschreiber

In kurrente Scheiße treten

Stolzgeplustert und beglückt

Wie aus eignem Darm gedrückt:

Himmel der Analphabeten

*

Korrekturleser

Anscheinend gibt es keine mehr

Mir fehln sie sehr

Auch Duden drehte sich im Grab

Als es sie gab

*

Kolumnist

Er begeistert mit den Worten

Und im Stil des scharfen Fegers

Süße dumme Lesertorten

Für die Meinung des Verlegers

*

Klatschreporter

Den Kopf in fremden Ärschen

Das Ohr auf fremden Pickeln

Der König der Recherchen:

Zu klug zum Leitartikeln

*

Leitartikler

(siehe: Leserbriefschreiber)

*

Leser

Draußen hängt die Welt in Fetzen

Drinnen sitzt und löffelt Meinung

Kaut an News und dummen Sätzen

Diese lustige Erscheinung

Römischer Fischmarkt

Unter leeren grauen Kathedralen

tanzt die Lust in Farbe, Saus und Braus.

Von Langusten und von langen Aalen

gehen Düfte wie von Himmeln aus.

Dieses Paradies aus prallen Bissen,

dieses erdene Gericht aus Blasphemie!

Da wo’s letzte falsche Band gerissen,

geht der Aberglaube in die Knie.

Denn vor Fischen, die so ungeheuer

fleischig sind und weich wie unser Mund,

weicht die Macht und mit ihr das Gemäuer

fauler Päpste, alt und ungesund.

Und ich wähle einen Aal und tropfe

aus den Lefzen, gierig, glücksumweht,

als die Römerin mit rotem Kopfe

ihn in eine alte Zeitung dreht.

In memoriam

Der war nie jung, der das nicht kennt:

Bekifft ist’s gut besaufen,

doch hat man leider voll verpennt,

noch Blättchen einzukaufen.

Der war nie jung, der diesen Scheiß

nie machte (blau, versteht sich):

Zwar ist ein gutes Blättchen weiß,

doch auch druckschwarzes dreht sich.

Das Versagen männlicher Singles im Café

Wenn sie morgens ganz allein erwachen,

laufen sie so schnell es geht hinaus.

Im Café umringt sie’s helle Lachen

jener, die nachtnächtlich Liebe machen,

und die Frauen sehn wie Wunder aus.

Und die Singles sind allein am Tische,

furchtbar stumm und schrecklich ungestört.

Doch da zwängt sich stumm in eine Nische

nah am Fenster eine neue Ische,

die ersichtlich niemandem gehört.

Stunden sitzt sie, in der FAZ vergraben,

und nur manchmal geht ihr Blick dorthin,

wo die Frauen gute Männer haben.

Und dann träumt sie von den Herzensgaben

aus Juwelen, Gold und Hermelin.

Stunden liest sie, und aus Augenwinkeln

wirft sie Angeln in den Singlekreis.

Keiner schnappt. Da fängt sie an zu trinkeln.

Alle zehn Minuten muß sie pinkeln –

„Ober, noch’n Gin! Was soll der Scheiß?“

Stunden kippt sie, ihre Lider senken

sich in Singles, die verschwimmen ganz,

als sie schreit: „Euch Grufties soll man henken!

Ihr Versager! Mich derart zu kränken!

Warum habt ihr Wichser einen Schwanz?“

Und so weiter … kaum zu glauben! Schlimm!

Wer die FAZ liest, hat halt kein Benimm.

Rhythmus oder ich freß dich

FernSEH und RadiO, nicht dumm,

abKUCKten beim PrintMEdium,

denn DIES tat’s SCHON bewältigen:

EinFALT zu VERvielFÄLtigen

Als er eine Wohnung renovierte

Fand er unter morschen Brettern

Käfer, Asseln, Knochen, Würmer

Fand er unter den Tapeten

Gilben Dämmstoff, las: Der Stürmer

Durfte sich an Jahren laben

Doch die fragten ihn dann aus:

Wieviel Tote abzuschaben

Hätte in demselben Haus

Einer, der in fünf Dezennien

Deines von den Mauern stemmt?

Laut beschied er den Erinnyen:

So wird längst nicht mehr gedämmt!

Negative Dialektik

Er liest die Zeitung nicht und schreibt

drum das hinein, durch das sie bleibt.

Die Zeitungskrise tötet

oder

Warum gefeuerte Journalisten noch gut bedient sind

Zeitlebens war er krank. Und hatte einen Posten

Doch ganz für sich allein. Der sagte ihm nicht zu.

Die Firma hieß „Der Park“, nachts tat es in ihr frosten.

Wer da noch niemals war, heißt blöde Kuh.

Er schlief im Straßenkleid, betäubt von scharfem Weine.

Der Wind ging eisig klirr, weiß rieselte der Tod

Nicht auf die Deutsche Bank, jedoch auf eine: seine.

Wer nie so zitterte, heißt Idiot.

Die Winter dauerten. Die dicke Zeitung wärmte

Den Sterbenden schon kaum: sie schützte ihn vorm Grab.

Dann kam das Internet. Der Stellenmarkt verhärmte.

Die Zeitung wurde dünn, der Mann erfror und starb.

Was dir das Opus lernt? Es ist ein Spitzengleichnis

Für falsche Welt und Tod, ach wie ich fröhlich bin:

Es ist beziehungsreich! Auch metrisch ein Ereichnis –

Alexandriner pur, ganz ohne Not, ja Sinn …

Der Melancholiker

Nichts ist, wie’s soll. Die Blasen sind geplatzt.

Nichts ist, wie’s soll. Zu dumm war wohl er selber.

Er nimmt, was kommt. Und will wer was: er latzt.

Er wußte mal: Die andern sind die Kälber.

Er wußte mal: Ich pack’s, weil ich es bin.

Er sah zur Sonne, und da wurd sie gelber.

Jetzt sieht er nur noch eines: keinen Sinn.

Jetzt sieht er sich mit Krumen abgefunden.

Als wär er satt, nimmt er sie täglich hin.

Die Tage dauern vierundzwanzig Stunden.

Die Tage sind nicht schwer: er trinkt sie leicht.

Die Kneipenviertel kennen seine Runden.

Er war mal stark. Doch hat’s wohl nicht gereicht.

Er war mal stark? Wer lügt, bezahlt die Spesen.

So steht er da, die Schultern eingedeicht,

Und lügt sich an: Ich brauche keinen Tresen.

Und lügt sich an: Ich pack’s, weil ich es bin.

Und weiß genau: Das wär’s dann wohl gewesen.

So steht er da. Und geht vor Scham dahin.

So steht er da: habilitiert bei Luhmann,

Liiert mit einer Sex-Reporterin.

Tod eines Kritikers

Platon lesend, dachte er: „Wie sinnig!“

Lessing lesend, dachte er: „Wie klug!“

Heine lesend, dachte er: „Wie innig!“

Hesse lesend, dachte er: „Genug!“

Walser lesend, dachte er: „Geprotze!“

Kirchhoff lesend, ward ihm flau im Bauch.

Markwort lesend, fiel er um und kotzte

Schweinehaxn, Bratkartoffeln, Lauch

Der Böse

Einst kam ein böser Junge auf die Welt,

Der hielt die pure Bosheit in den Händen.

Mal hätte er ums Haar was angestellt,

Und jeder fragte: Wo soll das noch enden?

Im Kindergarten ward das böse Kind

Gefürchtet ob der Bosheit seiner Taten.

Still lauschte es dem blauen Frühlingswind,

So böse war’s – sogar im Kindergarten!

Der Junge kam zur Schule – gottogott.

Nun war die Bosheit nicht mehr zu beschreiben.

Verschüchtert aß er Äpfel als Kompott

Und hatte böse Angst vorm Sitzenbleiben.

Dann wurd’s noch böser: Universität!

Ein Teufel war er, doch mit Menschengenen.

Zu manchem Seminar kam er zu spät,

Las Eichendorff und weinte böse Tränen.

Der Böse wurde später Journalist

Und unter groben Bösen ein galanter.

Er litt wie einer, der halt böse ist,

Und kündigte und wurde unbekannter.

Im Alter nahm die Bosheit schrecklich zu:

Er liebte schrecklich seine Frau und Kinder.

Dann, endlich, ging er hin. Befreit liest du

Auf seinem Grab:

    „Hier ruht ein Menschenschinder“.