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: Archaische Denke

Der Innensenator hat gelogen. Auch wenn er gestern den Brechmitteleinsatz vorerst stoppen ließ, bleiben seine Aussagen vom Tag zuvor, als er behauptete, der Mann aus Sierra Leone leide an einer Vergiftung und werde überleben. Thomas Röwekamp muss es zu diesem Zeitpunkt längst besser gewusst haben. Das gilt auch für die Polizei und den verantwortlichen Arzt. Auch der in der Nacht tätige Gerichtsmediziner war aufgeklärt darüber, was er riskierte: ein Menschenleben. Dass es das Leben eines Drogendealers ist (oder war), kann ein solches Vorgehen nicht rechtfertigen. Der Polizeiarzt hat gegen die grundlegendsten Regeln seines Standes verstanden, wohl auch gegen Gesetze.

Ohne den nun mutigen Notarzt, der sich sicher vorwirft, in jener Nacht nicht früher eingegriffen zu haben, wären die Polizei und ihr Arzt mit ihrer Darstellung vielleicht durchgekommen. Dass es erst seine Aussage ist, die einen Thomas Röwekamp nachdenklich macht, ist bitter. Noch bitterer ist, dass der Senator in der Sache an sich – gewaltsamer Einsatz von Brechmitteln zur Bekämpfung des Drogenhandels „mit unnachgiebiger Härte“ – nicht zweifelt. Ein Menschenleben ist für ihn wohl kein Wert an sich, das muss man sich verdienen. Oder es mit sieben Mal 100 Milligramm Kokain verspielen. So eine Denke ist nicht rechtsstaatlich, sondern archaisch und menschenverachtend.

Susanne Gieffers