Leben, Praxis, Liebe, Partnerwahl

Serotonin, Dopamin, Kokain, Östrogen und Testosteron: Wie Bas Kast sein erfolgreiches Buch „Die Liebe und wie sich Leidenschaft erklärt“ in der Urania in Berlin vorstellte

Bücher, die erklären, wie die Liebe funktioniert und wie man eine Paarbeziehung erfolgreich gestaltet, sind immer beliebt. Denn oft geht ja alles daneben. Gern holt man sich dann Rat bei klugen Menschen wie Bas Kast, die die Dinge aus Sicht ehrfurchtgebietender Wissenschaften wie Hirnforschung, Evolutionsbiologie und Verhaltensforschung erklären. Der 31-jährige Wissenschaftsredakteur des Tagesspiegels ist Autor des erfolgreichen Buchs „Die Liebe und wie sich Leidenschaft erklärt“ und tourt damit gerade durch die hiesigen Vortragssäle, Rundfunk- und Fernsehstudios.

Am Mittwochabend stellte der dezent affektiert wirkende Autor sein Werk in der Westberliner „Urania“ vor. Zunächst warf er ein Lichtbild an die Wand und war ganz erstaunt, dass man gleich Casanova erkannte. Neulich in Köln hätte man dafür eine Viertelstunde gebraucht. Casanova also wusste, dass Aufregung der Liebe diene. Leidenschaft sei in seiner grad noch spröden Begleiterin erwacht, als es blitzte und donnerte während der Kutschfahrt. Die junge Frau hatte sich verführen lassen, weil sie ihr Herzklopfen nicht dem Unwetter, sondern dem Verführer zugeordnet hatte. Ähnliches sei in zeitgenössischen Experimenten nachgewiesen worden.

Die Liebe, o Wunder, wäre also kein unerklärliches Mysterium, sondern folge beschreibbaren Gesetzen. Was bislang nur hergelaufene Geisteswissenschaftler, Philosophen und Dichter behauptet hatten, wäre inzwischen ordentlich bewiesen worden. Was wir Liebe nennen und mit unserem Liebling in Verbindung bringen, ist lediglich ein biochemischer Vorgang, den wir als Liebe „interpretieren“ (würde Nietzsche sagen).

Wir funktionieren wie Pawlow’sche Hunde – wenn wir ein Herz schnell schlagen hören und dazu das Bild eines Menschen sehen, finden wir ihn attraktiver, als wenn der vom Tonband vorgespielte Herzschlag langsamer ist. Außerdem treffen wir unbewusst unsere Liebeswahlen ganz schnell und stets im Sinne der Reproduktion. Anhand von Bildern mit Molekülen erklärte Bas Kast, wie das alles en detail im Kopf so abläuft. Serotonin, Dopamin, was da wie ausgeschüttet wird, und dass bei Kokain Ähnliches in Gang gesetzt werde. Dass Liebe nicht demokratisch ist, nach welchen Kriterien Attraktivität beurteilt wird, dass Östrogen und Testosteron da eine Rolle spielen und Ähnlichkeiten den Erfolg einer Paarbeziehung begünstigen, wurde schon häufig und ausführlich etwa von dem Verhaltensforscher Karl Grammer („Signale der Liebe“) dargestellt. Der Vortrag war unterhaltsam, auch wenn man nichts Neues erfuhr.

Nur seltsam, dass er mit keinem Wort die gleichgeschlechtliche Liebe berührte, dass kulturelle Zusammenhänge keine Rolle spielten, dass die Probanden in den amerikanischen Versuchsreihen, die er erwähnte, die Attraktivität von Leuten immer nur anhand von Fotos beurteilten, als wenn man sich in ein Foto im luftleeren Raum verlieben würde und nicht auch in die Umgebung eines Menschen, in das, was er repräsentiert usw. Während Kast vor allem über Partnerwahlen sprach, schienen sich viele Zuhörer eher für Lebenspraktisches zu interessieren und erkundigten sich nach wissenschaftlichen Erkenntnissen bezüglich der längeren Aufrechterhaltung einer Beziehung. Darüber hatte Bas Kast nur kurz referiert. Ein paar Bücher wollte er ja auch noch verkaufen.

DETLEF KUHLBRODT