Software der Sowjets

Bill Gates rettet Amerika vor der Invasion gemeiner Softwarepiraten – die seien die neuen Kommunisten

Microsoft gab im vergangenen Jahr 5,4 Millionen Dollar aus, um US-amerikanische Politiker davon zu überzeugen, dass alles, was für Microsoft gut sei, auch für Amerika gut sei – oder wenigstens für sie selber. Niemand hat das Recht, von „Bestechung“ zu reden, das korrekte Wort dafür heißt „Lobbyarbeit“. 5,4 Millionen Dollar sind ausgesprochen wenig Geld für Microsoft, bemerkenswert an dieser Zahl ist jedoch, dass sie überhaupt existiert. Das amerikanische Recht zwingt amerikanische Unternehmen, solche Ausgaben wenigstens teilweise auszuweisen.

Darauf gestützt, veröffentlicht die (private) Organisation „Political Money Line“ seit einigen Jahren regelmäßige Statistiken. Die amerikanische IT-Branche hat 2004 insgesamt 138 Millionen Dollar für politische Kontakte bezahlt, die Gesamtsumme der Lobbygelder beträgt 1,06 Milliarden Dollar.

Auch das ist nicht viel Geld, und die Vermutung daher zulässig, dass in Wirklichkeit sehr viel mehr auf unsichtbaren Wegen rübergeschoben wird. Vor allem in Europa ist das überhaupt kein Problem, denn hier ist in keinem Gesetz der EU oder ihrer Mitgliedstaaten genau vorgeschrieben, wo und wie solche Zahlungen nachgewiesen sein müssen. Der Online-Nachrichtendienst von Heise hat herausgefunden, dass die Organisation „Corporate Europe Observatory“ trotzdem versucht, Licht in das Dunkel zu bringen. Nach ihren Beobachtungen ist Brüssel dabei, Washington den Rang abzulaufen Hier sitzen 15.000 geschätzte Lobbyisten. Was sie genau tun, weiß niemand, außer denen, die mit Geld oder guten Diensten versorgt werden.

Der Skandal ist das einzige Mittel der Aufklärung. Erst wenn es jemand übertreibt mit den Wohltaten, lässt sich ungefähr abschätzen, wie das Geschäft normalerweise läuft.

Was die IT-Branche angeht, so hat sie besonders viel zu tun. Neue Gesetze zum Urheber- und Patentrecht stehen in der EU auf der Tagesordnung, und das Europaparlament hat sich bisher tapfer geweigert, sämtlichen Wünschen der Industrie zu folgen. Wer sich jetzt um die störrischen Abgeordneten kümmert, weiß die dafür eigentlich zuständige Statistikbehörde nicht. „Darüber haben wir nichts“, hat sie der Heise-Reporterin mitgeteilt.

Wahrscheinlich will sie es gar nicht wissen, weil auch ihre Mitarbeiter gelegentlich zu einem intimen Abendessen eingeladen werden. Brüssel weist die höchste Restaurantdichte Europas auf. Nur der Inhalt der stillen Gespräche und Sitzungen in gepflegter Atmosphäre ist kein großes Geheimnis. Die amerikanische Softwareindustrie hat letzte Woche angekündigt, dass sie das ohnehin strenge amerikanische Urheberrecht noch weiter verschärfen will. Zum Auftakt der dafür nötigen öffentliche Kampagne ließ Microsoft seinen Gründervater gleich persönlich – und völlig kostenlos – zu Wort kommen. Auf der „Consumer Electronic Show“ in Las Vegas sagte Bill Gates allen, die es hören wollten, die Leute, die heute das Urheberrecht „abschwächen“ wollten, seien eine „neue Art von Kommunisten“, die den „American Way of Life“ gefährden. NIKLAUS HABLÜTZEL