Dialektik mit Ölfleck

Eine große Ausstellung mit Arbeiten des Malers Norbert Schwontkowski in der Bremer Kunsthalle

Die Pointe von Schwontkowskis Witzen besteht genau darin, dass sie fehlt

VON BENNO SCHIRRMEISTER

Herr Schwontkowski macht Witze. Es handelt sich um Witze zum Anschauen, wohlgemerkt, aber das erklärt noch lange nicht, warum so etwas Unpathetisches in ein Ehrfurcht heischendes Gebäude wie die Bremer Kunsthalle passt: Die zeigt derzeit einen Querschnitt durch das Oeuvre des 1949 in Bremen geborenen Malers, dessen Witze, im Vertrauen, noch nicht einmal besonders gut sind. Es handelt sich, wenn man so will, sogar um saublöde Witze. Die Pointe nämlich, die zu einem Sinn erlösen und all die angestauten Triebe befriedigen könnte, die lässt der Herr Schwontkowski ganz konsequent fort.

Diese Bilder sehen ungefähr so aus: Kommt ein Mönch in einen Waschsalon. Oder: Sitzt ein schwarzer Pudel auf einem Konzertflügel. Oder aber: Stürmt ein maskierter Mann mit gezückter Pistole in ein Bestattungsinstitut. Immer ist irgendetwas radikal unpassend, jemand dringt in einen falschen Raum, hockt verquer am unangemessenen Ort. Und immer scheint es, als müsse etwas folgen. Aber es passiert nichts. Die Dinge, in anarchischer Verrückung wie im Slapstickfilm, kehren nicht in die vorbestimmte Ordnung zurück. Nichts rührt sich vom – falschen – Fleck. Ganz wie in einem Gemälde.

Kunststück: Es sind ja auch Gemälde. Nein, keine Grafiken, und die Bilder erschöpfen sich auch nicht, wie etwa bei Manfred Deix, im Karikaturalen: Norbert Schwontkowski macht seine Witze in Öl und mit Pigment auf Leinwand, und wer sie sieht, dem ist nur selten nach Lachen zumute. Da sorgt schon die ausgesuchte Tristesse der Farben für: Die Palette reicht vom suggestiven „Novemberrot“ – das der Künstler in einem Skizzenblock kalauernd in „Novemberbrot“ verwandelt – über Verwaschengelb und Schmutzigbraun bis hin zu einem Rotzegrün, das sich aller Ästhetisierung versagt.

Durch einen wüsten Mix aus „Kreide, Antifouling, Kupferfarbe, Leinöl, Eisenchlorid, Terpentinöl, Wasser, Tee“ stellt Schwontkowski nach eigenem Bekenntnis diesen Malfond her, der die angestammten Hierarchien nicht umwälzt, sondern auflöst. Immer wieder drängt sich diese fettige Grundierung nach vorne und scheint, die wie unbeholfen wirkenden zeichenhaften Linien der Motive zu überlagern, was ihr freilich nie ganz gelingt: Dialektik? Ja. Aber keine Synthese.

Dass die Bremer Kunsthalle Schwontkowski nun die erste große Überblicksausstellung widmet, ist kaum eine Frage des Lokalkolorits. Zugegeben, in seiner Heimatstadt gibt es seit Jahrzehnten Sammler und regelrechte Fans. Hauptsächlich zeugt die Schau aber vom gut ausgeprägten Sensorium der Museumsleitung für die Trends der Gegenwartskunst – denen sich der Bremer Künstler so lange standhaft verweigert hat, bis er nun als Vorläufer der neuesten Mode gelten kann.

Schwontkowski nämlich war schon immer Maler: Während seines Studiums Ende der Sechzigerjahre hat er gemalt und auch, fast ein Sakrileg, die ganze Beuys- und Arte-povera-Epoche hindurch. Er tat es noch, als er Anfang der Achtzigerjahre sein Atelier nach Hamburg und später nach Wien verlegt hatte. Und Schwontkowski, so viel ist sicher, wird auch nicht damit aufhören, wenn der aktuelle Malboom abflaut, in dessen Zuge sich sein fröhlich am Markt vorbeiproduziertes Werk als bestens verkäuflich erweist: Zwanzig Bilder von Norbert Schwontkowski zeigte die Berliner Contemporary Fine Arts Gallery auf der jüngsten Art Forum, ebenso viele fanden ihre Sammler. Und schon galt der 55-jährige Künstler als „eine späte, aber überzeugende Entdeckung“ der Berliner Kunstmesse.

„Kino“ heißt die Bremer Ausstellung. Damit ist viel mehr benannt als bloß das kleinformatige Gemälde gleichen Titels, das die schwarze Silhouette einer Kathedrale zeigt, über die in Versalien ebendieses Wort platziert ist, ein blasphemischer Schriftzug. Denn Schwontkowskis Bilder bleiben in Bewegung, auch wenn sie fertig und gerahmt an weißen Wänden hängen. Ganz wörtlich, weil die Metalloxide nicht fixiert und die chemischen Reaktionen nicht gestoppt sind: Das Licht wird hier noch arbeiten, und was in zehn Jahren einmal aus den Farben geworden sein wird, weiß kein Mensch. Genauso bleiben die Gemälde in Bewegung durch das andauernde Changieren von Vorder- und Hintergrund, das ewige Zwiegespräch von Form und Gegenstand. Und eben durch die unaufgelösten Bildergeschichten, die der Betrachter weiterspinnt: Was wird das Mönchlein denn nun tun, wird er sich fragen, das, tonsuriert, in brauner Kutte, so ratlos vor der unendlichen Reihe weißer Waschmaschinen steht? Nur ganz allmählich und gegen seine eigene Ungeduld wird er sich dabei zu der Gewissheit durchringen, dass die Pointe genau darin besteht, dass sie fehlt.

Bis zum 6. Februar in der Kunsthalle Bremen; vom 17. April bis 12. Juni Brandenburgische Kunstsammlungen, Cottbus; vom 4. September bis 9. Oktober Kunsthalle Erfurt. Katalog: 25 €