„Ich finde das super!“

Neue Untersuchungen beweisen: Nordic Walking beschädigt das Sprachzentrum

„Ich bin manchmal verspannt im Rückenbereich, und das ist einfach eine Wohltat“

Anfangs wurden die Nordic Walker bloß ihres Aussehens wegen gehänselt. Jetzt zeigt sich die weitaus größere Katastrophe in den Köpfen der Trendsportler. Gunnar Heberer vom Stockacher Institut für integrative Sport- und Sprachtherapie (InfiSS) fasst das Ergebnis einer Reihenuntersuchung von über 5.000 Betroffenen so zusammen: „Der Aufschlag der Stecken beim Stöckeln pflanzt sich im Körper fort und beeinträchtigt das Sprachzentrum. Atomisierte Sprache und verwahrlostes Denken mit syntaktischen und inhaltlichen Nekrosen sind die Folge. Wir nennen das: NW-Syndrom.“

Die erschütternden Ergebnisse liegen als umfangreiches Dossier der Bundesministerin für Verbraucherschutz vor und könnten eine Dringlichkeitsentscheidung zu Ungunsten der umstrittenen Freizeitbetätigung bewirken. Stockaufdrucke vom Typ „Nordic Walking ist schlimmer, als Sie es formulieren könnten!“, so Heberer, seien längst unwirksam, weil die NW-Geschädigten einfachste Nebensatzkonstruktionen nicht mehr verstehen.

Es genügt, einige Beispiele aus der Materialsammlung herauszugreifen. Im ersten Untersuchungsbeitrag etwa beachte man die Position des Wörtchens alles: „Ich mache das jetzt schon seit vier Monaten und das ist irgendwie entlastend alles für den ganzen Körper.“ Der Nordic-Walking-Stock scheint hier wie ein Billardqueue gewirkt und ein isoliertes überflüssiges Wort in den übrigen Satzverband hineingeschossen zu haben.

Das Gehirn wird so sehr durchgerüttelt vom harten Stocktakt, dass es vermehrt sinnfreien Sprachsalat produziert: „Ich bin manchmal verspannt im Rückenbereich, und das ist einfach eine Wohltat … Ich bin leicht übergewichtig, und das finde ich super.“

„Ich finde das super“ ist ein Haupterkennungsmerkmal des NW-Sprachschadens. „Ich finde das super“, meint ein weiterer Proband: „Ich merke, dass das effektiver ist wie nur Walking. Man wird schneller, es ist mehr Kraft dahinter, Power dahinter.“ Hinter dieser Aussage steckt sicher viel Power, aber nicht darin. Die rapide Beschleunigung von zwei auf drei km/h am Stock kann sich verheerend auswirken wie das falsche wie im zitierten Vergleich verdeutlicht.

„Ich habe es noch nicht so oft gemacht, aber ich denke, ich bleibe auch dabei, weil ich halt ein bisschen Knieprobleme habe und man hat einfach eine Unterstützung durch die Stöcke.“ Lieber Freund, wollen Sie mit Ihren kaputten Knien wirklich das Feld-und-Wald-Stocking beginnen? Ich rate zum Gymnastikband und einer sanften Kopfmassage. Möchte noch jemand etwas sagen? Bitte, nur zu!

„Ich finde das super, weil es meinen ganzen Bewegungsapparat durchwalkt und ich mich sehr wohl fühle dabei.“ Äh, Sie meinen sicher eher eine Massage? Durchgewalkt gehören Sie auf jeden Fall, wenn Sie noch einmal das deutsche walken mit dem englischen walken verwalkseln!

Was bei diesen namenlosen Kandidaten bereits recht gut dokumentiert ist, lässt sich durch die im InfiSS-Katalog unter „prominente Fälle“ stehende Betrachtung der Skikoryphäen Rosi Mittermaier und Christian Neureuther erhärten. Das legendäre Duo hat gerade ein Buch zum Nordic Walking herausgebracht.

Im Interview erklärt Neureuther den eigenen Stab zum Spaß spendenden Joystick: „Durch die Stecken bin ich gezwungen, mit den Armen mehr zu tun, und ich steuere praktisch den Einsatz der Muskeln über den Stock, den ich in der Hand habe, indem ich Druck auf ihn ausübe … Das sind alles Aspekte, und dann – es macht einfach Spaß … Ein Nordic-Walking-Stecken zeigt, dass man irgendwo in dem Sport zu Hause ist und Insider ist.“ Christian Neureuther hat Recht: Unweigerlich gerät man als Insider im sprachlichen Nirgendwo „irgendwo in dem Sport“ ins Stocken. Durchs fortschreitende NW-Syndrom jedoch „Insider“ einer geschlossenen Anstalt zu werden, ist das wirklich derart erstrebenswert? Christian Neureuthers Wort zur Nordic-Walking-Ernährung bilde den Abschluss: „Dann gibt es natürlich ernährungsmäßig ein Nahrungsergänzungsmittel, das ist CH-Alpha, das ist ein Kollagen-Hydrolysat … CH-Alpha bekommt man in jeder Apotheke, und es ist ganz einfach zu nehmen: Einmal am Tag kriegt man so eine Trinkampulle. Das schmeckt super, bisschen nach Zitrone und – es ist keine Chemie.“

Achtung, Zugriff! Hier wird nicht nur zum sprachzersetzenden Nordic Walking, sondern auch zum Doping animiert! Hände hoch! Stöcke fallen lassen! Ganz langsam umdrehen, Frau Mittermaier, Herr Neureuther! Jaa – so ist es gut!

Machen Sie sich keine Sorgen: Alles wird gut. Mit zwei weißen Jacken und zwei Trinkampullen täglich. Das Zeug schmeckt super, ein bisschen nach Zitrone und – es ist selbstredend ebenso wenig Chemie wie ein Kollagen-Hydrolysat. TOM WOLF