Windige Argumente gegen Windkraft

Unveröffentlichte Studie im Auftrag der Deutschen Energieagentur liefert Zahlen, die den Gegnern der regenerativen Energie gefallen dürften. Hohe Kosten für den Ausbau der Stromnetze prognostiziert, Belastung für Verbraucher

BERLIN taz ■ Neuer Streit um die Windenergie: Ihr politisch gewollter Ausbau macht Stromausfälle in Deutschland wahrscheinlicher. So könnte man das Ergebnis der so genannten „Netzstudie“ bezeichnen, die die Deutsche Energieagentur (Dena) in Auftrag gegeben hatte. An der Studie beteiligt sind unter anderem der Bundesverband Windenergie, der Energiekonzern Eon, der Verband der Deutschen Elektrizitätswirtschaft (VDEW) und das Bundeswirtschaftsministerium. Ursprünglich sollte das Projekt mit oft geäußerten Vorurteilen aufräumen – die Ergebnisse bestärken diese aber eher.

Im Einzelnen: 1,15 Milliarden Euro müssen wegen des „Mehr“ an Windstrom bis 2015 in den Ausbau der Stromnetze investiert werden – was die Verbraucher stark belaste. Die Anschlusskosten für die Offshore-Windpark-Projekte in Nord- und Ostsee belaufen sich auf 15 Milliarden Euro. Bereits der aktuelle Bestand an Windkraftanlagen gefährde die Stabilität des europäischen Stromverbundnetzes. Und in windarmen Zeiten sei bereits heute die Übertragung der erforderlichen Reserveleistungen nicht mehr gewährleistet. Die Studie liegt der taz vor.

„Es gibt überhaupt keine Studie, aus der man zitieren könne“, erklärte dagegen gestern Dena-Chef Stephan Kohler der taz. Allenfalls gebe es einen Arbeitstext, der am kommenden Montag von einem Gutachtergremium bewertet werden solle. Derjenige, der den Text jetzt weitergegeben hat, habe gegen den Vertrag verstoßen. Kohler: „Wenn wir wissen, wer das war, gehen wir juristisch vor.“

Nach Angaben des Bundesverbandes Windenergie (BWE) muss sich Kohler an RWE halten. „Es ist bekannt, dass der Stromkonzern die Windenergie nicht will und deshalb aus allen Stellungen dagegen feuert“, erklärte BWE-Experte Ralf Bischof. Man könne die Studie auch ganz anders lesen. 1,15 Milliarden Euro in zehn Jahren – „das macht 115 Millionen pro Jahr. Kleinkram, wenn man bedenkt, dass die Betreiber jährlich über 2 Milliarden in ihre Netze investieren“, sagt Bischof. 15 Milliarden Euro Anschlusskosten für die Offshore-Projekte? Bischof: „Die Zahl stimmt. Nur: Diese Summe zahlen die Windparkbesitzer und nicht die Netzbetreiber.“ Stromausfälle könne es zwar tatsächlich geben – etwa, wenn ein Blitz an einer sensiblen Stelle im Stromnetz einschlägt. BWE-Experte Bischof: „Das ist aber vollkommen unabhängig von der Windenergie.“

Tatsächlich hat die Studie zur „Integration von Windstrom in das Verbundnetz“ bereits vor ihrer Veröffentlichung für große Aufmerksamkeit gesorgt: Im August 2004 hatte die Dena den Wissenschaftlern – neben dem Energiewirtschaftlichen Institut Köln sind Windparkentwickler, Anlagenhersteller und Netzbetreiber beteiligt – „mehr Zeit eingeräumt, um neue Erkenntnisse zum Verhalten des Gesamtsystems“ zu bekommen. Kritiker hatten gemutmaßt, die Auftraggeber seien mit dem Ergebnis nicht zufrieden gewesen. Im September hatte die Dena Zwischenergebnisse veröffentlicht, die die FAZ unter der Überschrift „Ausbau der Windkraft macht Stromausfälle wahrscheinlicher“ zusammenfasste. Die Dena dementierte damals und verwies auf die Ergebnisse, die Ende 2004 veröffentlicht werden sollten.

Nun also streitet die Branche, ob ein fast 600-seitiger Text als „Studie“ oder nur als „vorläufiger Text zu einer Studie“ betrachtet – und je nach Bedarf interpretiert werden darf.

Fakt jedenfalls ist: Ende des Jahres waren etwa 16.000 Megawatt Windenergie-Leistung in Deutschland installiert. Nach politischem Willen soll diese Zahl in den nächsten 10 Jahren um 150 Prozent steigen. Mit derlei Studien und Debatten dürfte das kaum erreichbar sein.

NICK REIMER