Miles and more in CIA-Version

Noch immer fliegt der US-Geheimdienst mutmaßliche Terroristen in von Scheinfirmen betriebenen Jets in Folterländer. Nach neuen Veröffentlichungen wächst die Kritik – die CIA ficht das nicht an

AUS WASHINGTON MICHAEL STRECK

Gewöhnlich fliegen im Gulfstream V Turbojet Firmenchefs und Stars. Nach dem 11. September wurde das Privatflugzeug der Luxusklasse jedoch gefragtes Transportmittel des US-Geheimdienstes, um mutmaßliche islamische Terroristen vom Ort der Gefangennahme in ihre Herkunfts- oder in Drittländer auszuliefern. Dort, wo nachweislich gefoltert wird, sollen sie dann verhört und vor Gericht gestellt werden.

Seit einigen Monaten sind britische und US-amerikanische Journalisten sowie Hobbydetektive dem vom Völkerrecht geächteten Treiben der CIA auf der Spur und geben – zum Verdruss der US-Regierung – einen weiteren Einblick in den Krieg der USA gegen den Terror.

Über ein Netzwerk von Strohmännern und Briefkastenfirmen chartert der CIA die Flugzeuge. Die Eigentümer mit Namen wie „Premier Executive Transport Service“ existieren nur auf dem Papier.

Zum Ärgernis wurden der CIA so genannte „plane spotters“, die sich dank moderner Kommunikation Zugang zu Flugdaten verschaffen. Diese fanden heraus, dass der Jet besagter Firmen die Ausnahmegenehmigung hat, auf US-Militärbasen im Ausland zu landen. Nur neun Flugunternehmen besitzen diese spezielle Erlaubnis des Pentagons. Die Londoner Sunday Times berichtete Ende vergangenen Jahres, dass der Gulfstream von „Premier Executive“ wenigstens 49 Ziele weltweit angeflogen hat, darunter die US-Militärbasis Guantánamo auf Kuba, den Irak, Afghanistan und Flughäfen in Ägypten, Jordanien, Marokko, Libyen, Saudi-Arabien und Usbekistan. Der Jet landet zumeist nachts, parkt auf abgelegenen Positionen und stoppt nur kurz auf US-Militärbasen, um Treibstoff zu tanken.

Erstmals tauchte er nach Recherchen der Chicago Tribune Ende Oktober 2001 auf dem Flughafen Karachi auf. Dort übergaben pakistanische Sicherheitsbehörden der CIA einen jemenitischen Mann namens Jamil Qasim Saeed Mohammed. Bis heute ist sein Verbleib ungeklärt. Im Dezember 2001 fliegt der Gulfstream zwei Ägypter von Stockholm nach Kairo. Einer von beiden berichtet später, von der ägyptischen Polizei gefoltert worden zu sein. Im Januar 2002 landete das Flugzeug in Jakarta, um das mutmaßliche Al-Qaida-Mitglied Muhammad Saad Iqbal wiederum nach Kairo zu bringen. Auch sein Schicksal und Aufenthaltsort sind unbekannt.

Die UN-Folterkonvention verbietet, Häftlinge an Drittstaaten auszuliefern, wenn die Gefahr besteht, dass sie dort gefoltert werden. Menschenrechtsgruppen bereiten nun Klagen gegen die US-Regierung vor.

Die geheimen Transfers sind zu einem unverzichtbaren Baustein im Antiterrorkampf geworden, räumte die CIA bei Anhörungen hinter verschlossenen Türen im Kongress ein. „Niemand wird sich zu dem Thema je öffentlich äußern“, sagt der ehemalige CIA-Terrorexperte Michael Scheuer. Doch die Haltung im Hause sei klar: „Lass jemand anders die Drecksarbeit tun.“