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: Vorsichtig optimistisch: „Abouna – Der Vater“ von Mahamet-Saleh Haroun

Ein Mann wandert in eine weite Wüstenlandschaft hinein. Kurz dreht er sich noch einmal um und schaut mit einem unergründlichen Blick direkt in die Kamera, dann geht er weiter und verschwindet langsam. Nach dieser ersten Einstellung werden wir ihn, den „Vater“ des Titels, nicht mehr sehen, aber seine Abwesenheit bildet das Zentrum des Films und wird alles Weitere bestimmen. Er lässt zwei Söhne zurück, deren vergebliche Suche nach ihm in der ersten Hälfte von „Abouna“ erzählt werden. Der 15jährige Tahir muss dabei schnell die Vaterrolle für den 8jährigen Amine übernehmen, denn ihre Mutter ist überfordert und zunehmend verwirrt.

In einem Freilichtkino Kino glaubt Amine auf der Leinwand seinen Vater zu erkennen, und nachdem er „Papa, sieh mich an“ ruft, dreht der Mann im Film sich tatsächlich um und grüßt seine beiden kleinen Kinder, die gleich darauf ins Bild kommen, und ganz anders als Tahir und Amine aussehen. Dennoch sind die beiden überzeugt, ihn erkannt zu haben, und so stehlen sie die schwere Filmrolle, um zumindest sein Bild zu besitzen. Zuhause ziehen sie den ganzen Film von der Spule, können die Aufnahme aber nicht finden.

Diese Reflexion über das Kino als Ort der Träume wirkt sowohl komisch wie auch herzzerreißend traurig, und spätestens bei dieser Sequenz wird klar, was für ein raffinierter Filmemacher Mahament-Saleh Haroun ist, dessen Film nur scheinbar in ganz einfachen, eindeutigen Bildern erzählt. Das Leben im Tschad, einem der ärmsten Länder der Erde ist karg, und Haroun zeigt die Details des Alltags am Rande von Ndjamena, der Hauptstadt des Landes, mit dem genauen Blick eines Dokumentarfilmers.

Aber er hat hier auch mit dem Kalligraphen Kader Badaouni zusammengearbeitet, und deshalb wirkt jede Einstellung mit ihren sanften Pastelltönen und pointierter Bildfindung so kunstvoll komponiert. Die Gemächlichkeit von Montage und Kamerabewegungen, die dem natürlichen Rhythmus der Menschen zu entsprechen scheint, lässt genügend Muße dafür, sich tief in diese Welt einzufühlen. Und auch die melancholisch swingende Gitarrenmusik des Musikers Ali Farka Touré aus Mali verstärkt den zärtlichen Grundton von „Abouna“. Denn auch wenn die Abwesenheit des Vaters die Familie zerstört und tragische Konsequenzen nach sich zieht, ist „Abouna“ ein warmer, lebensbejahender Film. Nach dem Diebstahl der Filmrolle werden die beiden Brüder von ihrer überforderten Mutter in eine strenge Koranschule in einem weit entfernten sandigen Dorf geschickt und hier wird der verträumte, asthmatische Amine immer verzweifelter, während sein Bruder Tahir lernt, sich mit viel Mut und Energie durchzusetzen. Und gerade wenn es für beide in der Schule unerträglich zu werden scheint, besucht sie ein Onkel mit der einzigen Nachricht von ihrem Vater, der im Ausland arbeitet und ihnen ein Poster von einem Meeresstrand schickt. In einem der magischen Momente des Films denken sich die beiden Brüder zu ihrem Vater in diese Traumlandschaft hinein und dabei macht Haroun poetisch und ohne jede Sentimentalität spürbar, wie tief ihre Sehnsucht und ihre Einsamkeit sind. Die beiden jungen Hauptdarsteller wirken so glaubwürdig, sympathisch und unangestrengt, dass ihre große schauspielerische Leistung fast unbemerkt bleibt. Dabei muss Ahidjo Mahamet Moussa in der Rolle des Tahir eine komplexe Entwicklung darstellen, denn nachdem dieser sich in eine schöne Taubstumme in goldenen Gewändern verliebt, wird er zum erwachsenen Helden der Geschichte, der am Ende die Verantwortung übernimmt, vor der sein Vater geflohen war. Haroun schönt hier nicht etwa mit einem märchenhaften Happyend, denn letztlich erzählt er doch eine Tragödie, die in Tod und Wahnsinn führt.

Und dennoch lässt er „Abouna“ mit einem vorsichtig optimistischen Bild enden, das deutlich macht, wie sehr er seine Filmfiguren liebt und wie genau er sie kennt. Wilfried Hippen

„Abouna - Der Vater“ läuft in der Originalfassung mit Untertiteln von Do - Sa um 20.30 und von So bis Di um 18.00 im Kino 46