KULTUR DARF KEIN VORWAND FÜR POLITIKERSPONSORING SEIN
: Vorsicht, Banausen!

Die Dresdner Bank begründet die Fortzahlung eines Gehalts an die CDU-Bundestagsabgeordnete Hildegard Müller mit dem Hinweis auf Aufgaben im Bereich „Cultural Affairs“. Bei unreflektierter Lektüre könnte davon hängen bleiben: für Kultur und Gedöns. Schließlich steht das kulturelle Feld jenseits der Feuilletons leider immer noch in dem Ruf, fürs „Leichte“ zuständig zu sein. Mancher Beobachter der Debatte wird die Formulierung sowieso nur für eine mehr oder minder geschickte Tarnbehauptung fürs Nichtstun halten; in jedem Fall sind Ergebnisse von Tätigkeiten im Bereich der Kultur zugegebenermaßen schwer nachprüfbar.

Allerdings ist es an der Zeit, über die moralischen Implikationen hinaus eine Warnung an alle Wirtschaftsunternehmer und Politiker auszusprechen: Geht nicht zu lässig mit dem Kulturbegriff um! Die Kultur würde es überleben. Schaden nehmen vielmehr die Firmen oder Personen selbst. In Wirklichkeit ist nämlich nichts komplizierter, als im Bereich der Kultur die Übersicht zu behalten.

Nur ein Beispiel: In jeder ernst zu nehmenden Kulturredaktion zaubert man immer noch ein Grinsen in die Gesichter, sobald man den ehemaligen SPD-Popbeauftragten Sigmar Gabriel erwähnt. Der einstige Ministerpräsident Niedersachsens hatte gedacht, in so einem Amt etwas für sein junges Image tun zu können, sich dann aber schnell von den Distinktionserfordernissen überfordert gezeigt. Wer Udo Lindenberg für State of the Art im Rockgeschäft hält, darf sich nicht wundern, in der Musikszene mit einem Spitznamen wie „The Notorious SIG“ bedacht zu werden; haben Sie diese Anspielung auf den Rapper The Notorious B.I.G. eigentlich jemals verstanden, Herr Gabriel?

Noch wichtiger ist es für Firmen, die Kultur ernst zu nehmen. Mit einem VW Golf „Genesis“ kann man zwar auf den Mainstream schielen, sieht bei Nachwuchskäufern aber arg abgehangen aus. Das Image ist längst ein Teil des Produkts geworden. Auch deshalb wäre es besser, würden Firmen keine Scheinjobs schaffen, sondern Politiker ganz transparent für Lobbying bezahlen. Oder die Finger davon lassen. DIRK KNIPPHALS