Ein deutscher Gabin

Günter Lamprecht wurde am 21. Januar 1930 als Sohn eines Taxifahrers und einer Landarbeiterin in Berlin-Wilmersdorf geboren. Der Vater war ein überzeugter SA-Mann und sehr früh Mitglied der NSDAP geworden. Als Hitlerjunge war Günter Lamprecht beim Endkampf um Berlin eingesetzt. 1945 begann er eine Dachdeckerlehre, die nur zwei Monate dauerte. Eine vierjährige Lehre als Orthopädiehandwerker schloss er mit dem Gesellenbrief ab. Bis 1953 war Lamprecht in diesem Beruf tätig und nebenbei im Box- sowie Rudersport engagiert.

Ab 1953 nahm er Schauspielunterricht in Berlin bei Else Bongers. Dann erhielt er ein Stipendium der Stadt Berlin für die Ausbildung zum Schauspieler an der Max-Reinhardt-Schule (bis 1955). Ein erstes Engagement hatte Lamprecht 1955 bis 1959 am Schauspielhaus in Bochum. Weitere Theaterstationen: Oberhausen, Wiesbaden, Heidelberg, Gelsenkirchen und Essen sowie das Schauspielhaus Köln. In der Spielzeit 1971/1972 gastierte Lamprecht am Deutschen Schauspielhaus in Hamburg. Anschließend arbeitete er freiberuflich unter anderem an der Freien Volksbühne Berlin und wieder am Schauspielhaus Bochum unter Peter Zadek (1974). In dieser Zeit intensivierte er auch die Arbeit bei Film, Fernsehen und Funk. Die erste Zusammenarbeit mit Rainer Werner Fassbinder („Welt am Draht“) resultiert aus dieser Zeit.

Seine Fernsehkarriere begann Lamprecht Anfang der 70er-Jahre mit Wolfgang Petersens Zweiteiler „Stellenweise Glatteis“ und Peter Beauvais’ „Rosenmontag“. Einem größeren Publikum wurde er als Bäckers Georg Baum in dem Schweizer Film „Das Brot des Bäckers“ (Silberner Bär der Berlinale 1977) bekannt. Fassbinder gab ihm 1978 die Rolle des Wetzel in „Die Ehe der Maria Braun“ und dann die Hauptrolle des Franz Biberkopf in seiner 14-teiligen TV-Serie „Berlin Alexanderplatz“ (1980), durch die Lamprecht auch in den USA als „schauspielerisches Ereignis des Jahres 1983“ gefeiert wurde. Nachdrücklich empfohlen hatte er sich für diese Aufgabe durch das Fernsehspiel „Rückfälle“ (1977; Regie: Peter Beauvais), in dem er einen Alkoholiker spielte, der nach einer Entziehungskur vergebens versucht, wieder ein normales Leben zu führen.

„Heile Welt“-Darstellungen waren nie seine Sache. Lamprecht wollte Männer aus der Schicht darstellen, aus der er stammt. 1982/1983 übernahm er die Hauptrolle in dem Spielfilm „Milo Barus, der stärkste Mann der Welt“ (Regie: Henning Stegmüller), der zwar kein Publikumserfolg war, ihm aber erneut gute Kritiken einbrachte. Zu den „wesentlichen“ Produktionen in seiner langen Karriere rechnet Lamprecht den Film „Rouge baiser“ von Vera Belmont, der das Schicksal einer polnischen Emigrantenfamilie erzählt, und die Serie „Roncalli“ von Michael Mackenroth, in der er einen Kreditsachbearbeiter mimte. Von 1989 bis 1995 gestaltete er in der ARD-Reihe „Tatort“ die Rolle des von ihm maßgeblich mit entwickelten Kreuzberger Kommissars Franz Markowitz.

Lamprecht versteht sich selbst „als guter Volksschauspieler“. Und ergänzt: „Ich habe nicht den Anspruch, in irgendeinem intellektuellen Theater auftreten zu müssen. Da bin ich nicht zu Hause, das ist nicht mein Bier. In der Reihe, in der ich mich einordne, stehen Leute wie Karl Malden, Lino Ventura oder Jean Gabin.“

Im November 1999 wurden Lamprecht und seine Lebensgefährtin Claudia Amm von einem 16-jährigen Amokschützen in Bad Reichenhall schwer verletzt. Lamprecht und Amm, wieder genesen, haben gerade eine Theatertournee mit Peter Turrinis Stück „Josef und Maria“ absolviert. Im Herbst 2000 brachte Lamprecht den ersten Teil seiner zweibändigen Autobiografie („Und wehmütig bin ich immer noch. Eine Jugend in Berlin“) heraus, in der er nach Kritikermeinung unaufdringlich ein Stück Zeitgeschichte von unten aus dem Blickwinkel des Heranwachsenden erfahrbar macht. Der zweite Teil soll zur Leipziger Buchmesse im Frühjahr 2006 herauskommen.  JK