Klassenkampf ums Rauchereck

Immer mehr Bundesländer wollen das Rauchen an den Schulen verbieten. Weil die neuen Gesetze aber auch die Lehrer treffen, stoßen sie bei der Gewerkschaft GEW auf scheinheiligen Widerstand

VON JOHANNES HONSELL

Deutschland schluckt schwer an Pisa II. Die Föderalismuskommission ist an der Bildung gescheitert. Und immer noch wird an Deutschlands Schulen geraucht.

Zumindest damit muss Schluss sein, finden immer mehr Bundesländer. Nachdem bereits Berlin und Niedersachsen das Rauchen per Erlass verboten haben, verspricht nun Hamburgs Bildungssenatorin Alexandra Dinges-Dierig ein absolutes Rauchverbot für Lehrer und Schüler per Gesetz, gültig ab 1. August 2005. Vorreiter dafür ist Hessen, wo das Qualmen seit dem 1. Januar 2005 gesetzlich untersagt ist. Wer in Hessen gegen das Verbot verstößt, spürt die Härte des Staates – bis hin zu Schulverweis und Disziplinarverfahren.

Das hessische Beispiel gefällt vielen Ländern, denn es soll zeigen: Deutsche Schulen sind doch reformierbar, es braucht nur eine harte Hand. Bayerns Landeschef Edmund Stoiber (CSU) will im Herbst ein entsprechendes Gesetz vorlegen. In Nordrhein-Westfalen wird der Landtag voraussichtlich Ende Januar ein neues Schulgesetz verabschieden. Darin enthalten: ein allgemeines Alkohol- und Rauchverbot an Schulen.

Die Lehrergewerkschaften stellt der Kampf gegen das Rauchen vor ein Dilemma: Was machen die quarzenden Lehrer? Deshalb lautet die Devise: Rauchen ist zwar schlecht. Schlecht ist aber auch, es zu verbieten.

In besonders schönen Arabesken formuliert das Rainer Dahlem, Landesvorsitzender der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) Baden-Württemberg. Er will nicht, dass Schulen zu „Schonräumen“ werden. Die gesellschaftliche Wirklichkeit bestehe nun einmal darin, „dass Rauchen zwar in hohem Maße gesundheitsschädlich ist, dass aber auch Kinder und Jugendliche Tag für Tag mit rauchenden Menschen in Kontakt sind“.

Etwas weniger verwinkelt formuliert es Barbara Becker von der GEW Hessen: „Ein Verbot hilft nichts. Die Lehrer werden sich eine Möglichkeit schaffen, zu rauchen.“ In der Tat schreiten die nikotinsüchtigen Pauker bereits zur Selbsthilfe. An Hessens Schulen beraten einige Lehrer zurzeit angestrengt, ob man einen Rauchraum außerhalb der Schule mieten sollte.

Der Bund freut sich über den Fleiß der Länder und gibt schon mal hohe Ziele aus. Bis 2005 sollen alle Schulen in Deutschland rauchfrei sein, fordert die Drogenbeauftragte der Regierung, Marion Caspers-Merk (SPD).

Doch nicht alle ziehen mit. Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz wollen kein Verbot. Im Osten, wo laut Statistik der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung mehr Jugendliche rauchen als im Westen, will die Mehrheit der Länder das Thema lieber den Schulen überlassen.

Der Erfolg eines Verbots ist ohnehin zweifelhaft. In Berlin, wo das Rauchen seit Anfang des Schuljahrs verboten ist, inhalieren viele Schüler ihre Pausenzigarette einfach auf der Straße.