Skepsis ist Trumpf

Mit seinem Roman „Welt in Angst“ zweifelt Michael Crichton die These von der durch den Menschen verursachten Klimaerwärmung vehement an. Doch liegt die Forschung, die das belegt, so daneben?

von TIM BARTELS

Der Mensch macht das Klima. Er heizt mit seinem Kohlendioxidausstoß die Atmosphäre auf und verstärkt damit den Treibhauseffekt. Darauf hat sich die Science Community seit vielen Jahren geeinigt. Die globale Erwärmung ist wissenschaftlicher Mainstream. Oder gibt es darüber immer noch akademischen Streit? Können jahrzehntelange Forschung und tausende von Studien irren? Michael Crichtons neues Buch „State of Fear“ will uns das glauben machen. Drei Jahre lang hat der US-amerikanische Bestsellerautor für seinen Ökothriller recherchiert, drei Jahre lang „Texte zum Thema Umweltschutz“ gelesen. Während dieser Zeit hat der 1942 geborene studierte Mediziner offenbar eine neue Eigenschaft bei sich entdeckt: das Misstrauen – vor allem gegenüber wissenschaftlichen Worst-Case-Szenarien und Ängste schürenden Prophezeiungen, wie denen eines drohenden Klimakollapes. Der Autor von „Jurassic Park“ entwickelte sich vom visionären Wissenschaftsgläubigen zum besessenen Anhänger der Klimaskeptiker.

Unter jenen Leugnern der Kohlendioxidthese unterscheidet die Klimatologengemeinde drei Typen: Trendskeptiker, die den gemessenen Erwärmungstrend des Klimas für ein Artefakt halten, das durch die zunehmende, Wärme produzierende Urbanisierung um die Messstationen herum entstanden ist; Ursachenskeptiker, die zwar den Klimawechsel akzeptieren, aber dafür natürliche Ursachen wie die Sonnenaktivität und kosmische Strahlung verantwortlich machen; Folgenskeptiker, die den Temperaturanstieg für harmlos oder sogar vorteilhaft halten, da dann etwa Landwirtschaft in höheren Breitengraden möglich erscheint und Ernteerträge zunähmen. All diese Skeptiker vereint Crichton in sich. Und das scheint auch auf fast jeder Seite seines Romans durch. „Wir befinden uns nämlich, ob wir wollen oder nicht, mitten in einem globalen Krieg: Informationen gegen Falschinformationen“, lässt Crichton seinen durchtriebenen Umweltschützer Nicholas Drake sagen. Und weil sich mit der Kassandra einer drohenden Klimakatastrophe keine Geldgeber mehr hinterm Kohleofen hervorlocken lassen, muss Drake mit Ökoterroristen paktieren, um dem Klimawandel auf die Sprünge zu helfen: Harmlose Regenschauer werden künstlich zum Unwetter getriggert, Antarktisgletscher sollen gesprengt werden, damit der Meeresspiegel ansteigt, und schließlich provoziert man mit ausgeklügelter Gerätschaft Erdverschiebungen, um gigantische Tsunamis auf San Francisco rollen zu lassen.

Ein tolldreister und gruseliger Plot, keine Frage, und garantiert thrillertauglich – wenn Crichton dabei nicht dauernd seine Botschaft unters Lesevolk bringen wollte: Niemand weiß Genaues über den Klimawandel, niemand kann in die Zukunft schauen, lasst euch daher nicht Angst und Bange machen. „State of Fear“ ist eine Mischung aus Fiktion und ausgewähltem wissenschaftlichen Material. Um dessen Ergebnisse in die Geschichte einzuflechten, bedient Crichton sich eines sokratischen Dialogs. Als Lehrer hat er den renommierten Wissenschaftler John Kenner erfunden, einen emotionslosen Alleskönner, Bescheidwisser und Klimaskeptiker. Sein Gegenüber ist Rechtsanwalt Peter Evans, ein leichtgläubiger, dummer Schüler, den es zu läutern gilt.

Zunächst bekommt Evans die korrekte Definition für globale Erwärmung verpasst: Das „ist die Theorie, dass erhöhte Kohlendioxidwerte und gewisse andere Gase aufgrund des so genannten Treibhauseffektes einen Anstieg der Durchschnittstemperatur in der Erdatmosphäre verursachen“. Na bitte, bloße Theorie! Nichts sei also bewiesen, hebt Crichton kursiv hervor. Um das zu unterstreichen, fährt er vermeintlich schweres Datengeschütz auf: Kenner aka Crichton präsentiert seinem Schüler Evans (alias die Leser) haufenweise Schautafeln mit Temperaturkurven verschiedener Städte. Viele dieser Messreihen zeigen überhaupt keinen oder zumindest keinen eindeutigen Trend zur Erwärmung. Na bitte, so Crichton, ein bedrohlicher Treibhauseffekt entbehrt jeglicher wissenschaftlicher Grundlage. Dass aber hunderte anderer Daten von Klimaforschern die These von der anthropogenen Erwärmung erhärten, ist ihm keine Zeile wert. Aus tausend Forschungsergebnissen fischt sich der Allroundskeptiker Crichton jene heraus, die seiner Handlung, vor allem aber seiner Botschaft dienlich sind. Selektive Wahrnehmung ist für einen Romancier legitim, noch dazu für das Schreiben eines Thrillers. Doch Crichtons Mitteilungsbedürfnis ist zu groß, als dass er Meinungsmache raffiniert im Metatext oder Fiktiven verschwinden ließe. Mit Fußnoten, die auf seine Quellen verweisen, der Vorführung seiner Grafikauslese und dem sturen Auflisten wissenschaftlicher Arbeiten will Crichton den „wahren“ Kern seiner Geschichte dokumentieren und betonen, dass es genügend Anlass für Zweifel am herrschenden Klimadogma gebe.

Im trügerischsten Fall unterstellt sein Superheld Kenner dem wirklichen Nasa-Wissenschaftler James E. Hansen, sich bei seiner Klimaprognose vor 16 Jahren um „dreihundert Prozent verschätzt“ zu haben: „Na, nehmen wir mal Ihre Lieblingsangst, globale Erwärmung. Die Bedrohung durch globale Erwärmung prophezeite erstmals der prominente Klimaforscher James Hansen im Jahr 1988. Vor einem Senatsausschuss unter dem Vorsitz von Tim Wirth, dem Senator von Colorado, erläuterte er den Treibhauseffekt. Und zwar ausgerechnet im Juni, während einer brütenden Hitzewelle. Damit auch alles schön passte.“ Hansen hat das gekontert und im Dezember in der New York Times erklärt, dass er damals drei verschiedene Szenarien vorstellte, von denen sich Crichton nur die extremste gewählt habe. Die gemäßigte Variante, ein prognostizierter Temperaturanstieg um 0,11 Grad binnen zehn Jahren, sei dagegen ziemlich genau eingetreten.

Darüber hinaus war Hansen nicht der erste Warner vor einer Erderwärmung. Schon 1896 hatte Svante Arrhenius vorgerechnet, dass sich die globale Temperatur um vier bis sechs Grad erhöhen würde, wenn sich die Kohlendioxidmenge in der Atmosphäre verdoppelte. Die Voraussage des schwedischen Nobelpreisträgers gilt als Extremfall auch heute noch unter den rund 2.000 Wissenschaftlern, die im Auftrag der Vereinten Nationen alle paar Jahre in einem so genannten IPCC-Report den internationalen Kenntnisstand der Klimaforschung zusammenfassen. Für diese geballte Forscherkompetenz ist es eine Tatsache, dass die Kohlendioxidkonzentration in der Atmosphäre seit etwa 1850 stark angestiegen ist, dass der Mensch dafür durch das Verbrennen fossiler Brennstoffe und das Abholzen der Wälder verantwortlich ist, dass sich das Klima im 20. Jahrhundert global um etwa 0,6 Grad erwärmt hat und dass der überwiegende Teil dieser Erwärmung auf die gestiegene Menge des klimawirksamen Gases Kohlendioxid zurückzuführen ist. Diese Erkenntnisse durch einige neue Resultate umzustoßen, hält etwa der deutsche Klimatologe Stefan Rahmstorf für „praktisch undenkbar“.

Crichton ficht das nicht an. „Auch der Konsens der Intellektuellen ist nicht unbedingt richtig, egal, wie viele es glauben und wie viele Jahre sich der Glaube hält. Er kann trotzdem falsch sein, sogar sehr falsch“, schreibt er am Ende seines Buches in seiner über zwanzig Seiten langen Bibliografie als Kommentar zur Geschichte der Hexenverfolgungen(!). Zuvor aber trägt er in seinem angehängten Essay über die Gefahren politisierter Wissenschaft noch dicker auf. Darin führt er die Theorie der Eugenik ins Feld, die vor hundert Jahren seiner Meinung nach ebenso wie die Theorie zum Klimawandel rasch Anhänger bei führenden Wissenschaftlern, Politikern und Prominenten in aller Welt gefunden habe. „Ich behaupte nicht, globale Erwärmung sei das Gleiche wie Eugenik“, rudert Crichton schließlich wieder zurück, aber „die Ähnlichkeiten sind nicht rein vordergründig“.

Für ihn ist der IPCC nämlich gar keine wissenschaftliche, sondern eine politische Organisation, die um weitere Forschungsgelder buhlt und deshalb kritische Meinungen unterdrücke. Ein Beleg dafür sei die Tatsache, dass so viele „unverhohlene Kritiker der globalen Erwärmung“ Professoren im Ruhestand seien, die sich nicht mehr um Fördermittel bemühen müssten. Interessanterweise ist das exakt der Vorwurf, den aktive Klimaforscher wie Rahmstorf ihren Skeptikern machen: dass sie zumeist Pensionäre, Laien oder Journalisten (oder eben Romanautoren) sind, die sich nur in den Medien zu Wort meldeten und eben nicht oder nicht mehr auf Fachkongressen und in der Fachliteratur. Aus der picken sie sich lieber die streitbaren Arbeiten heraus, um ihre eigene Position zu untermauern. Häufig sind sie bezahlte Lobbyisten der Kohle- oder Ölindustrie oder der Politik, zumal in den USA. George W. Bush ist der mächtigste Klimaschutzbremser im globalen Treibhaus, der sich seit Jahren beharrlich gegen eine Verpflichtung zur Kohlendioxidreduktion wehrt. Zur Wende in seiner Klimapolitik und zum Ausstieg aus dem Kioto-Protokoll habe maßgeblich die intensive Lobbyarbeit von mehr als einem Dutzend industrienaher und bestens finanzierter Organisationen beigetragen, kommentierte Rahmstorf vor anderthalb Jahren in der taz.

Auch Crichton spielt mit seinem Buch der Politik der US-Regierung in die Hände. Fragt sich nur, welches Interesse ihn angetrieben hat. Vermutlich war es die vorweggenommene Verfilmung seines Stoffes. Da es mit Roland Emmerichs „The Day After Tomorrow“ schon einen Klimaschocker auf Basis der Erwärmungstheorie gegeben hat, musste Crichton ein Gegenmodell schaffen. Ärgerlich, dass daraus eine neue Verschwörungstheorie mit fanatischem Sendungsbewusstsein wurde. Doch wer glaubt einem so genannten Experten, der in seinem Roman Skorpione für Insekten hält?

Siehe auch Rezension auf Seite 16