Positive Diskriminierung

Das rot-grüne Antidiskriminierungsgesetz bildet keinesfalls die Spitze der Bewegung. In Norwegen etwa müssen vier von zehn Vorständen in Firmen weiblich sein

BERLIN taz ■ Daran, dass sie von dem Antidiskriminierungsgesetz nichts halten, lassen die Arbeitgeberverbände keinen Zweifel: Überzogen, unkalkulierbar, bürokratisch nennt es deren Präsident Dieter Hundt – ein wahres „Eldorado für Rechtsanwälte“.

Es hätte für Herrn Hundt auch viel schlimmer werden können: Während sich gestern der Bundestag in erster Lesung mit dem Antidiskriminierungsgesetz beschäftigte, trugen Experten nur ein paar Kilometer weiter im Hotel „Berlin“ auf einer DGB-Tagung zahlreiche Beispiele vor, wie Gesetze Minderheiten noch viel effektiver schützen. Norwegen etwa: Dort gibt es nicht nur ein Gleichstellungsgesetz, das die Diskriminierung von Frauen, insbesondere von Schwangerschaft unterbindet. Dort ist die Quote selbst in Chefetagen Realität: Seit 2001 müssen nicht nur in öffentlich bestimmten Vorständen, sondern auch in Firmenvorständen Frauen zu 40 Prozent vertreten sein. Eine Initiative, sagt Mari Teigen vom Osloer Institut für Sozialforschung, die nicht nur die Realität, sondern vor allem das Bewusstsein verändert habe: Gesetze schafften nicht zuerst Fakten und Klagen, sondern Sensibilitäten.

Unter dem Titel „Strategien der Gleichstellung von Frauen und Männern in der Privatwirtschaft“ zogen hundert TeilnehmerInnen eine Bilanz der deutschen wie internationalen Geschlechterpolitik. Gelobt wurde nicht nur aus Norwegen, sondern auch aus den USA das Instrument „Affirmative Action“, das Minderheiten bessere Chancen einräumt – die so genannte „positive Diskriminierung“.

In Großbritannien zum Beispiel hat man mit einer „Kommission für Gleichbehandlung“ jahrzehntelange Erfahrungen: Im Vergleich zur deutschen Stelle, die für 5,6 Millionen Euro beim Familienministerium angesiedelt werden soll, ist das britische Pendant ein Riesenunternehmen: Mehrere hundert MitarbeiterInnen, schildert die Gewerkschafterin Diana Holland, seien in Manchester damit beschäftigt, gleiche Rechte und Bezahlung durchzusetzen. Ihre Arbeit setzt schon bei Familien an. Eine der erfolgreichsten Kampagnen sensibilisierte die Eltern für die Ungerechtigkeiten, die das Berufsleben für ihre Töchter parat hält. Der Slogan: „Bereiten Sie Ihre Tochter auf die Welt der Arbeit vor: Geben Sie ihr weniger Taschengeld als Ihrem Sohn.“

JEANNETTE GODDAR