Das wird kein Spaziergang, George W.

George W. Bush kommt im Februar nicht nach Berlin, sondern in die vermeintlich beschauliche Fastnacht-Metropole Mainz. Vielleicht hat er die Rechnung ohne den Wirt gemacht: Mainz macht mobil, und „Witzischkeit“ kennt kein Pardon

AUS MAINZ JUTTA HEESS

Mainz-05-Fan, mit rot-weißem Schal, Fußgängerzone:

„Die drängenden Fragen lauten doch: Wo spielt dieser Bush überhaupt? Was kostet der an Ablöse? Brauchen wir den? Man sagt ja, er wär eher offensiv, spielt immer da, wo es weh tut – auch wenn er eher andere da hinschickt!“

Aktionsbündnis „Not welcome, Mr. Bush“, Tapas-Bar:

„Die Stadt wird voll sein, bestimmt kommen mehrere 10.000 Demonstranten.“ Während Tina Kemler von der Medieninitiative „Radio Quer“ voller Zuversicht ihre nächste Zigarette anzündet, schüttelt ihr Ehemann den Kopf. „Der Zug in eine Kleinstadt ist sicher nicht so groß“, sagt Harald Gewehr. Drolliger Name für einen Aktivisten der „Deutschen Friedensgesellschaft – Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen“ (DFG-VK), das gibt er selbst zu. Gemeinsam mit Andreas Atzl von der Grünen Jugend treffen sich die beiden in einer Bar am Mainzer Bahnhof, um mögliche Aktionen während des Auftritts von George W. Bush zu besprechen.

Der amerikanische Präsident trifft am 23. Februar Gerhard Schröder in Mainz, in der Stadt, deren Ruhm sich sonst hauptsächlich auf Weck, Worscht und Woi sowie der Fastnacht gründet. „Wenn Bush hier eine ‚cosy atmosphere‘ erwartet, dann hat er sich aber getäuscht“, sagt Tina. Denn Mainz macht mobil. Eine Demonstration wurde bereits einen Tag nach Bekanntgabe des Bush-Besuchs beim Ordnungsamt angemeldet, rund 100 Leute haben sich am vergangenen Samstag zu ersten Planungsgesprächen getroffen – Vertreter von Friedensgruppen, Gewerkschaften, Attac, Pax Christi und anderen Initiativen. „Sonst kooperiert ja nicht jeder mit jedem, aber in diesen Fall ist das etwas anderes“, erklärt Tina, „nur rechte Gruppierungen wollen wir natürlich nicht dabei haben.“ Und Andreas ergänzt: „Bush ist der gemeinsame Nenner des Protestes, egal ob man jetzt den Schwerpunkt auf Irakkrieg, Umweltpolitik oder Bürgerrechte legt.“

Noch ist unklar, was die Demonstranten genau auf die Beine stellen werden, ungewiss auch, wo Bush überhaupt auftauchen wird. „In der Zeitung stand, er wolle vielleicht auch das US-Militärhospital im benachbarten Wiesbaden besuchen“, sagt Tina. „Das gibt es aber seit drei Jahren nicht mehr.“ Große Verwirrung also in einer kleinen Stadt. „Immerhin: Unser Name steht bereits fest“, sagt Harald. „Stop Bush“ und „Wir pfeifen auf Bush“ sei in der engeren Wahl gewesen, das Rennen gemacht habe schließlich: Aktionsbündnis „Not welcome, Mr. Bush – Für eine friedliche und soziale Welt“. „Über die Interpunktion sind wir uns auch noch nicht ganz einig“, meint Tina und seufzt: „Es wäre schöner, wenn wir ein Jahr Zeit hätten, uns vorzubereiten.“ Harald sieht das anders: „Der Zeitdruck ist doch nicht schlecht.“ Und ganz entschlossen: „Der Protest wird effektiv und energisch.“

Tabea Rößner, Vorsitzende der Mainzer Grünen, Altstadt-Café:

„Ich glaube nicht, dass er einen gemütlichen Rundgang durch die Mainzer Altstadt machen kann.“ Tabea Rößner spricht in ihrer Mittagspause über die bevorstehende Bush-Visite. Und darüber, dass ihre Partei an diesem Tag auch mitmischen will. „Wir haben überlegt, ob wir in Bush-Masken auftreten oder mit rauchenden Colts, irgendwas in diese Richtung“, sagt sie. Mit dem Aktionsbündnis will Rößner in den nächsten Tagen Kontakt aufnehmen. Ob sich die Grünen an deren Aktivitäten beteiligen, wisse sie aber noch nicht. „Es hängt stark davon ab, welche Richtung das Bündnis einschlägt.“

Rößner erklärt das Demo-Dilemma einer Regierungspartei: „Wenn die rot-grüne Bundesregierung angegriffen werden soll, weil sie sich mit Bush trifft, halten wir das für verfehlt. Auch wenn einem Bushs Politik nicht gefällt, ist er der gewählte Präsident der USA. Das ist ein Staatsbesuch, und natürlich empfängt man den Präsidenten, um mit ihm zu reden.“

So begeben sich die Grünen lieber auf sicheres Terrain und haben drei Umweltorganisationen – Greenpeace, BUND, Nabu – angesprochen, um mit ihnen am Bush-Tag zu kooperieren. „Es ist wichtig, seine kriegerische Außenpolitik zu kritisieren. Wir wollen aber auch auf seine Umweltpolitik aufmerksam machen, sein Nichtstun und seine Blockade“, sagt Rößner und erwähnt das noch immer nicht unterzeichnete Kioto-Abkommen. Warum Bush ausgerechnet das beschauliche Mainz besucht, wundert Tabea Rößner sehr. „Wahrscheinlich wegen der US-Stützpunkte in Rheinland-Pfalz“, mutmaßt sie. „Aber eigentlich denkt man doch, dass der amerikanische Präsident eher nach Berlin reist.“ Vielleicht sei von amerikanischer Seite die Hoffnung da, dass der Protest nicht so groß werde. „Wer nimmt sich schon einen Tag frei, um mitten in der Woche nach Mainz zu kommen? Aber Bush wird es egal sein, er ist ja gewählt worden.“

Walter Schumacher, Staatskanzlei Mainz, Telefon:

„In eine Weinstube werden sie wohl nicht gehen, Bush trinkt doch nix.“ Walter Schumacher kann zwar kleine Witze über den US-Präsidenten machen, über dessen genaues Programm in Mainz jedoch keine Auskünfte geben. „Da werden die Amerikaner mit entscheiden wollen, bisher sind noch keine Locations festgelegt.“ Ob Gutenberg-Museum oder Rheinufer – welche Ecke von Mainz Bush bei seinem sechsstündigen Aufenthalt zu sehen bekommt, ist also noch offen. Oder geheim. Bekannt ist nur, dass kein Mainzer Polizist am 23. Februar Urlaub nehmen darf. „Der Sicherheitsaspekt ist an diesem Tag natürlich sehr groß“, sagt Schumacher. „Aber die hiesige Polizei und die Stadt Mainz sind ja erfahren, schließlich war Bush senior 1989 auch hier.“

Schumacher ist stolz: „Der Besuch ist eine Auszeichnung für uns, alle Kameras sind an diesem Tag auf Mainz gerichtet, wir werden für einen Tag Mittelpunkt der Welt sein“, schwärmt Schumacher. Dass die Proteste gegen den US-Präsidenten sehr umfangreich werden, bezweifelt er hingegen. „Ich glaube nicht, dass die Gewerkschaften und die Grünen mitdemonstrieren, das hätte ja – falls Joschka Fischer auch dabei sein wird – einen besonderen Charme.“

Klaus Wilinski, Zeichner und Karikaturist, Atelier:

„Man legt sich besser nicht mit einem Karikaturisten an.“ Klaus Wilinski ist Karikaturist und hat das in den letzten Tagen zu spüren bekommen. Einer der 15 Motivwagen, die er im Auftrag des Mainzer Carneval Vereins für den Rosenmontagsumzug entworfen hat, sorgt derzeit für große Aufregung. Bush reckt sein großes, nacktes Hinterteil in die Höhe, Angela Merkel rennt freudig darauf zu. Darunter steht: „Da strahlt die Angela am End / George Bush bleibt weiter Präsident / sie fühlt sich wie im Honeymoon / wir wünschen ihr „Good After-Noon.“

Nur einer von vielen blanken Popos, nur eine von vielen Darstellungen der Arschkriecherei, die es bisher bei der Mainzer Fastnacht gab. Und dennoch ist die Empörung groß. Obszön und unanständig sei das, zumal der Präsident nach Mainz komme, so der Tenor von Kommentaren und Leserbriefen, die die Mainzer Allgemeine Zeitung (AZ) publizierte. Sogar Überlegungen wurden geäußert, das Motiv direkt ans Weiße Haus zu schicken. Was Klaus Wilinski doppelt in Rage versetzt. „Dieser vorauseilende Gehorsam ist ekelhaft.“ Und weiter: „Um die Meinungsfreiheit ist es in Mainz schlecht bestellt, wenn nur die negativen Äußerungen veröffentlich werden.“ Er habe genauso viel Zustimmung erfahren, darüber sei in der AZ kein Wort verloren worden. Eine 75-jährige Frau zum Beispiel habe ihn angerufen und gesagt: „Herr Wilinski, Bush ist ein Kriegstreiber, Sie haben völlig Recht. Wir Meenzer haben uns noch nie was gefallen lassen.“

Wilinski ist froh darüber, dass der MCV offenbar keinen Rückzieher macht und trotz anhaltender Kritik sowie Druck aus dem Ministerium den Wagen am 7. Februar zum Fastnachtsumzug schicken wird. Selbst Oberbürgermeister Jens Beutel meinte, so viel Humor müsse Bush schon mitbringen, wenn er nach Mainz komme. Als Klaus Wilinski ihm allerdings anbot, den Wagen bis zum 23. Februar aufzuheben und vorfahren zu lassen, habe dieser dankend abgelehnt. „Selbst wenn Bush das irgendwie mitbekommt, würde er doch nicht sofort sagen: ‚Bomb fucking Mainz‘ “, meint Klaus Wilinski.