Revolution? 15.000 Euro!

Das Berliner Landgericht hat dem Asta der FU Berlin einen Link zu einer Demo gegen die Agenda 2010 verboten

Beim gemeinen deutschen Jurastudenten hat das Internet überhaupt rein gar nichts geändert. Der gemeine deutsche Jurastudent war immer schon – freundlich ausgedrückt – konservativ. Er denkt an seine Kanzlei, die er einmal haben wird, an seine Kunden aus der Wirtschaft oder an das Gericht, an dem er richten oder Verbrecher anklagen wird. Was soll er mit dem Internet?

Er lernt, er büffelt, wahrscheinlich ist er in einer schlagenden Verbindung, und von Politik will er nichts hören. Politik ist an der Uni immer irgendwie links, vor allem dann, wenn sich der Asta einmischt. Das ist der Allgemeine Studentenausschuss. Weil ihm jede Studentin und jeder Student angehören muss, soll er sich auch um die Angelegenheiten des gemeinen deutschen Jurastudenten kümmern. Aber natürlich denkt er nicht im Traum daran, das zu tun. Denn seit Menschengedenken – will heißen: seit 1968 – ist der Asta für die Revolution, also für das Gegenteil des gemeinen deutschen Jurastudenten.

Weil das so ist, muss der Asta der Freien Universität Berlin jetzt 15.000 Euro Ordnungsgeld bezahlen. Das haben ihm ehemalige gemeine deutsche Jurastudenten eingebrockt, die jetzt am Berliner Landgericht sitzen. Über zwei Jahre haben sie gebraucht, um ihm heimzuzahlen, was sie schon immer geärgert hat. Weil der Asta der FU Berlin für die Revolution ist, ist er für das freie Internet und hat auf seiner Homepage einen Link zu einer anderen Homepage gesetzt, die im Jahr 2002 – wörtlich – zu einer Demonstration „Gegen die Unternehmer, ihre Regierung und die DGB-Bonzen“ aufrief. Es ging um Schröders Agenda 2010. Ein gemeiner deutscher Jurastudent empfand das als flagrante Verletzung des Gesetzes, das andere gemeine deutsche Jurastudenten vor Jahren durchgesetzt haben und das besagt, dass der Asta sich nicht zu „allgemeinpolitischen Fragen“ äußern dürfe.

Natürlich kümmert sich ein ordentlicher Asta nicht um einen solchen Schwachsinn. Das private ist politisch, „Der Pflasterstein und der Nierenstein sind austauschbar“ und „Die SPD will den Sozialismus nicht“ haben die Asten früher auf ihre Plakate geschrieben, das ist nun mal ihr welthistorisches Recht und deswegen waren sie einfach verpflichtet, einen Link zu dieser Demo zu setzen. „Wer hat uns verraten?“

Schon klar, wer. Die Sozialdemokraten, die sich mit dem Internet ja auch ein bisschen schwer tun. Richtig gemein sind aber die gemeinen deutschen Jurastudenten, die seit neuestem auch noch surfen. Früher haben sie nur die Plakate abgerissen. Und man konnte sie verhauen. Aber jetzt? Eine saubere Demo gegen die Klassenjustiz, um dem gemeinen deutschen Juristen seine imperialistische Charaktermaske vom Gericht zu reißen? Zurzeit eher schwierig. Wahrscheinlich bleibt dem Asta der der FU gar nichts anderes übrig, als die 15.000 Euro aus den Beiträgen der Zwangsmitglieder klammheimlich zu überweisen.

Ersatzweise sind zwei Tage Haft angeordnet – und das mitten im Semester.

NIKLAUS HABLÜTZEL