Niedrige Löhne trotz Milliardenumsatz

Die IT-Firma Wincor Nixdorf in Paderborn gründet ein Dienstleistungsunternehmen, um Mitarbeiter zukünftig zum Leiharbeiterlohn beschäftigen zu können. Das sei das Ausbeutermodell der Zukunft, fürchten Gewerkschaftler

PADERBORN taz ■ Alle arbeiten ohne zusätzliche Bezahlung fünf Stunden mehr. Das bietet der Gesamtbetriebsrat der Firma Wincor Nixdorf International GmbH seinen Chefs an – und ist noch nicht einmal sicher, dass sie darauf eingehen werden. Denn Deutschlands führender Geldautomaten-Produzent hat sich ein Arbeitsmodell überlegt, das dem Betrieb deutlich mehr Personalkosten erspart: Eine betriebseigene Leiharbeiter-Agentur.

„Ein arbeitsrechtlicher Alptraum“, sagt Gesamtbetriebsrat Wilhelm Rose. „Für die dort angestellten Mitarbeiter bedeutet das unter Umständen 25 Prozent weniger Gehalt, ohne dass sie sich dagegen wehren können.“

Tatsächlich lässt sich Wincor Nixdorfs Sparplan kaum anfechten. Denn die so genannte Servicegesellschaft ist offiziell ein eigenständiges Unternehmen. Deren Angestellte arbeiten zwar bei Wincor Nixdorf, aber nicht mehr als Metallarbeiter, sondern als Leiharbeiter. Und für die gilt ein anderer Tarifvertrag.

„Jedes Unternehmen hat das Recht, ein weiteres Unternehmen zu gründen“, sagt Volker Kotnig von der IG Metall Paderborn. „Da Wincor Nixdorf in den letzten Jahren fast nur befristet eingestellt hat, können sie ihre Mitarbeiter jetzt nach und nach in die neue Gesellschaft auslagern. Völlig legal.“

Bei Wincor Nixdorf wird zum Thema Leiharbeitsfirma geschwiegen. „Wir haben vergangene Woche eine Servicegesellschaft gegründet“, sagt Unternehmenssprecher Andreas Bruck. „Was wir mit ihr vorhaben, ist noch in der Planung und ist deshalb nicht für die Öffentlichkeit bestimmt.“ Bislang sei dort auch noch niemand eingestellt worden. Mit den zur Zeit geltenden Tarifverträgen in der Metallarbeiterbranche könne man bei Wincor Nixdorf jedoch nicht weiterarbeiten. „Wir wollen den Standort Deutschland erhalten“, sagt der Unternehmenssprecher. Um die mehr als 6.000 Arbeitsplätze sicherer zu machen, müsse die Arbeit jedoch billiger werden. „Darüber verhandeln wir jetzt mit der IG Metall und mit unserem Betriebsrat“, sagt Bruck. „Das Ergebnis entscheidet, was mit der Servicegesellschaft passiert.“

Angesichts dieser Drohkulisse hat der Betriebsrat bereits im Vorfeld klein beigegeben. „Wir bieten dem Betrieb eine 40-Stunden Woche zu gleichen Lohnbedingungen an“, sagt Betriebsrat Wilhelm Rose. „Das schützt vielleicht wenigstens die alten Mitarbeiter davor, zu Leiharbeitern zu werden.“

Die IG Metall will in der kommenden Woche mit den Tarifverhandlungen beginnen. Dort gibt man sich deutlich kämpferischer als der Betriebsrat. „So kann es keine Lösung geben“, sagt Volker Kotnig. „Sonst wird die betriebseigene Leiharbeitsagentur zum Ausbeutermodell der Zukunft.“ Die Metall-Gewerkschaft will deshalb auf den Tarifvertrag pochen. „Wenn Wincor Nixdorf eine 40-Stunden-Woche ohne Lohnausgleich will, muss sie aus dem Arbeitgeberverband austreten“, sagt Kotnig. „Dem Unternehmen geht es schließlich finanziell ausgezeichnet, da gibt es keinen Grund zur Tarifflucht.“

Tatsächlich macht Wincor Nixdorf seit Jahren Milliardengewinne. „Wir wollen aber nicht erst mit dem Sparen anfangen, wenn wir in der Krise stecken“, sagt Unternehmenssprecher Bruck. „Wir wollen uns jetzt schon um unsere internationale Konkurrenzfähigkeit kümmern.“ MIRIAM BUNJES