geschichtspolitik
: Vom Völkermord in Brandenburg

Der parteilose brandenburgische Bildungsminister Holger Rupprecht hat, einer Intervention des türkischen Generalkonsuls folgend, einen Passus aus dem Lehrplan gestrichen, der den Völkermord an der armenischen Bevölkerung Kleinasiens während des Ersten Weltkriegs als Beispiel eines Genozids darstellte. Dieser ebenso feige wie servile Akt der Selbstzensur folgte einem Mittagessen, das der brandenburgische Ministerpräsident Matthias Platzeck dem türkischen Diplomaten gab. So sah der passende Rahmen für die Änderung des Rahmenplans aus.

KOMMENTARVON CHRISTIAN SEMLER

Rahmenlehrpläne für den Geschichtsunterricht in den deutschen Ländern präsentieren dicht gedrängt den Stoff und beanspruchen gegenüber den Lehrern maßgebende Geltung. Bei diesem Ausmaß an Zentralisation muss strikt darauf geachtet werden, dass es bei der Festlegung des Lehrstoffs transparent zugeht, dass die Inhalte wissenschaftlichen Mindeststandards gehorchen und dass Änderungen der Rahmenpläne und ihr politischer Hintergrund öffentlich diskutiert werden können.

Wie sich der Minister und sein Chef gegenüber der Zumutung des türkischen Generalkonsuls verhielt, spottet nicht nur selbstbewusstem demokratischem Verhalten. Haltlos ist auch dessen inhaltliches Argument. Der Diplomat hatte die Befürchtung geäußert, dass der Hinweis auf den türkischen Genozid im Unterricht zu „fremdenfeindlichen Übergriffen gegen Türken in Brandenburg“ führen könne. Eine seltsame Logik, wenn man bedenkt, dass rechtsradikaler Rassismus und Fremdenhass in Deutschland sich gerade aus der Bejahung von Völkermord speist, wie auch die türkischen Untaten von 1915 bis 1916 unter Mithilfe deutscher Offiziere verübt worden waren. Hitler selbst hatte den Völkermord an den Armeniern als Vorbild gesehen.

Die Intervention des Generalkonsuls samt brandenburgischem Befehlsvollzug widerspricht auch der Linie, die die Regierung Erdogan in der Türkei selbst hinsichtlich der „Vergangenheitsbewältigung“ eingeschlagen hat. Der Hinweis auf den Völkermord an den Armeniern wird nicht mehr als Staatsverleumdung verfolgt, und auch in der historischen Publizistik mehren sich kritische Stimmen. Diese Wende ist in der brandenburgischen Provinz noch nicht angekommen – aber auch nicht in der Residenz von Generalkonsul Aydin Ilhan Durusoy in der Hauptstadt Berlin.

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