SPD will auf Kredit weiterregieren

Nach zehn Jahren Sanierungsprozess ist die neue Politik wieder die alte: Regieren auf Pump. Mehr als eine Milliarde Euro fehlen im Bremer Haushalt. Über „Sparen“ wird diese Summe kaum reduziert. Andere Ideen kamen der SPD bei ihrer Klausur nicht

Kleine Spar-Ideen werden die Neuverschuldung dieses Jahr kaum unter eine Milliarde Euro drücken

bremen taz ■ Die Bremer SPD hatte am Wochenende ihre jährliche Klausurtagung. Es sei über die Mitgliederbindung gesprochen worden, teilte der Landesvorsitzende Carsten Sieling anschließend mit, und über Mitgliederwerbung. „Wir wollen in diesem Jahr eine Kampagne machen“, kündigte er an. Wie und mit welchen Argumenten – das soll eine Überraschung sein

Eine Überraschung wird auch sein, wie die SPD auf die schlechte Nachricht vom Kanzlerbrief reagiert. Da habe bisher ein wenig „Prinzip Hoffnung“ geherrscht, räumte Sieling, ein. Es sei „viel zu wenig getan worden“ im Hinblick auf die nicht ganz überraschende Lage, die jetzt durch die Millionen-Absage entstanden ist. Bürgermeister Henning Scherf hatte von Enttäuschung gesprochen und eine erneute Klage vor dem Bundesverfassungsgericht angekündigt. Die Bundesregierung reagierte verwundert, Scherfs Reaktion sei nicht nachvollziehbar, hieß es in Berlin.

Mit welchen juristischen Argumenten Bremen erneut vor Gericht ziehen will, ist derweil vollkommen offen. Auch auf der SPD-Klausur, bei der Scherf anwesend war, gab es keinerlei Hinweis darauf. Der SPD-Bundestagsabgeordnete Volker Kröning warnt davor, dass Berlin sich auf den Standpunkt stellen könnte, es bestehe kein Handlungsbedarf, solange die Klage läuft. Und das kann lange dauern.

Erst einmal will man in Bremen das Urteil auf das Berliner Klageverfahren abwarten. Das wird in diesem Jahr erwartet. Schon in seiner Stellungnahme zu der Berliner Klage, deren Begründung sich deutlich vom Bremer Sanierungskonzept absetzt, war dem Bremer Senat vor einem Jahr kein wirklich gutes Argument eingefallen. Der Präsident des Bundesverfassungsgerichtes ist ein Verfechter der Länderneugliederung.

Als „Schmierentheater“ geißeln unterdessen die Bremer Grünen die von Bürgermeister Scherf und dem CDU-Vorsitzenden Bernd Neumann vorgetragene Enttäuschung über das erzielte Verhandlungsergebnis. „Um den schönen Schein zu wahren, hat die große Koalition Bremens Bürgerinnen und Bürger jahrelang für dumm verkauft“, sagte die grüne Fraktionsvorsitzende Karoline Linnert. „Wider besseres Wissen haben führende Koalitionspolitiker den Wert des Kanzlerbriefs immer weiter in die Höhe getrieben. „Beide wussten, dass aus Berlin keine jährlichen Überweisungen in Höhe von rund 500 Millionen Euro zu erwarten waren. Ihre Krokodilstränen hätten sie sich sparen können.“

Durch die von der großen Koalition „inszenierte Kanzlerbrief-Farce“ sei „viel Zeit verplempert“ worden. Die Kurskorrektur sei längst überfällig gewesen.

Wie die nun gelingen soll, darüber haben aber auch die SPD-Spitzen keine Vorstellung. Bei der Klausur wurde – in Anwesenheit von Senatoren – der Satz formuliert, das bisherige Sanierungsleitbild vom „Sparen und Investieren“ habe sich „erschöpft“. Bremen liege mit den laufenden „konsumtiven“ Ausgaben unter dem Bundesdurchschnitt, erklärte Sieling. Mehr sparen gehe nicht. Bei den Investitionen liege Bremen über dem Durchschnitt. Größere Investitionsprojekte zu prüfen, hat die SPD aber schon mehrfach gefordert – ohne großen Erfolg. Durch die Methode der „Kapitaldienstfinanzierung“ ist ein großer Teil der Investitionsmittel der nächsten Jahre längst ausgegeben oder rechtsverbindlich verplant.

Auch an die heilige Kuh, dass nach Bremerhaven ein „deutlich überproportionaler Anteil der Investitionsmittel“ fließen soll, traut sich die SPD nicht heran. Von Investitionen kann man da ohnehin kaum reden, sondern höchstens von Subventionen in eine strukturschwache Region, die sich das Land Bremen aus Proporzgründen leistet. Konkret benannte Sieling drei bekannte Kandidaten für Kürzungen: die Ausweitung des Technologieparks (West), den Knastneubau und die Bauförderung für „Bremer bauen in Bremen“.

Im Bereich der Investitionen sind im Haushalt 2005 bisher kreditfinanzierte Ausgaben von rund 600 Millionen Euro geplant, im konsumtiven Bereich fehlen rund 500 Millionen Euro. Die Neuverschuldung allein in diesem Jahr wird also mit kleineren Spar-Ideen kaum unter eine Milliarde Euro gedrückt. kawe