Die Ukraine wird zum besonderen Freund

Die 25 EU-Außenminister einigen sich auf Zehn-Punkte-Plan zur Heranführung Kiews an die Europäische Union. Beitrittskandidat wird das Land vorerst nicht. Mit Kuba will die EU jetzt einen „konstruktiven Dialog“ starten

BRÜSSEL taz ■ Die Ukraine soll zu einem privilegierten Partner der EU werden, aber – zumindest vorerst – kein Beitrittskandidat. So lautet die Formel, auf die sich die Außenminister der 25 Mitgliedsstaaten bei ihrem Treffen gestern in Brüssel einigten.

Die Richtung hatte die EU-Kommission schon in der vergangenen Woche vorgegeben. Präsident José Manuel Barroso sagte am Wochenende beim Weltwirtschaftsforum in Davos: „Ich glaube, dass die Zukunft der Ukraine in Europa liegt, aber auf der Agenda steht erst einmal die Nachbarschaftspolitik.“

Getreu dieser Linie – wir geben euch den kleinen Finger, aber verlangt nicht die ganze Hand – verabschiedeten die Außenminister gestern ein Zehn-Punkte-Programm, das die Beziehungen zur EU vertiefen soll. Er wird den Aktionsplan ergänzen, den die Minister bereits im Dezember beschlossen haben. Ähnliche Pläne gibt es unter anderen auch für Palästina, Jordanien und Marokko.

Die Ukraine bekommt mit dem gestern beschlossenen Zusatzplan jedoch eine Sonderstellung im „Ring der Freunde“ der EU, wie Außenkommissarin Benita Ferrero-Waldner die Nachbarschaftspolitik gerne umschreibt. Die EU verpflichtet sich zum Beispiel, schneller als bisher geplant Handelsabkommen mit der Ukraine zu erarbeiten und den Beitritt des Landes zur Welthandelsorganisation zu beschleunigen. Schwerpunkte der Verhandlungen werden Textil- und Stahlindustrie sein. Außerdem soll die ukrainische Gesetzgebung den EU-Regeln angepasst und die Bedingungen für Visa erleichtert werden.

Vertreter des EU-Parlaments gehen noch einen Schritt weiter. So schlägt Elmar Brok, außenpolitischer Sprecher der konservativen EVP-Fraktion, für die Ukraine eine ähnliche Partnerschaft wie mit Norwegen vor. Das skandinavische Land hat ja beispielsweise das Schengener Abkommen unterzeichnet und kooperiert auch in wirtschaftlichen Fragen eng mit der EU. „Wir sollten der Ukraine eine Form von ‚Europäischem Wirtschaftsraum plus‘ anbieten. In zehn Jahren können wir dann immer noch über einen möglichen Beitritt nachdenken“, sagte Elmar Brok.

Nachdem der Besuch von Wiktor Juschtschenko am vergangenen Donnerstag wegen schlechten Wetters ausgefallen war, soll der ukrainische Präsident voraussichtlich am 21. Februar nach Brüssel kommen. Dann treffen sich eine ukrainische und eine EU-Delegation zum so genannten Assoziationsrat, der den gestern ergänzten Aktionsplan endgültig verabschieden muss.

Neben der Ukraine war die Landkarte der Außenminister gestern besonders weiträumig: Sie reichte bis nach Kuba. So begrüßten die Minister die hohe Beteiligung an den Wahlen im Irak und verabschiedeten einen Aktionsplan für die Tsunami-Region, der den betroffenen Ländern über 450 Millionen Euro Finanzhilfe zusichert.

Vor dem Kuba-Beschluss hatte der Plan für Verstimmung gesorgt, keine Dissidenten mehr zu offiziellen Feiern in die Botschaften der EU-Staaten in Havanna einzuladen. Diese Passage wurde aus den Schlussfolgerungen gestrichen. Allerdings beschlossen die Minister, alle Sanktionen aufzuheben, die vor knapp zwei Jahren nach der Festnahme von 75 Dissidenten gegen Kuba verhängt worden waren. Man wünsche einen „konstruktiven Dialog“ mit Kubas Regierung.

RUTH REICHSTEIN