Hans Eichel stoppt den deutschen Diesel

Die Initiative „Kein Diesel ohne Filter“ erhöht den Druck auf den Bundesfinanzminister: Statt auf die Gesundheit der Wähler nehme er nur Rücksicht auf den VW-Konzern. So gebe es keine steuerlichen Anreize für saubere Diesel – bald aber Fahrverbote

AUS BERLIN NICK REIMER

Neuer Korruptionsvorwurf gegen einen Spitzenpolitiker: Bundesfinanzminister Hans Eichel (SPD) soll dem deutschen Autobauer VW statt dem Gemeinwohl verpflichtet sein. „Wie anders ist zu erklären, dass Eichel die Interessen des VW-Konzerns eins zu eins gegen die Interessen der Bevölkerung vertritt?“, fragte gestern Jürgen Resch, Chef der Deutschen Umwelthilfe.

Konkret geht es um Dieselruß – beziehungsweise den flächendeckenden Einbau von Filtern gegen diesen. Eine so genannte Rahmenrichtlinie hatte 1996 festgelegt, dass ab 2005 EU-weit strengere Grenzwerte für Feinstaub gelten. Das sind alle Partikel mit Durchmessern kleiner als ein Hundertstel Millimeter. Sie gelten als krebserregend.

Experten sind sich einig, dass die Grenzwerte nur durch moderne Filtertechnik einzuhalten sind. Passiert ist hierzulande seither wenig. Während Filter etwa bei Frankreichs Autobauern heute serienmäßig Standard sind, kann man bei deutschen Konkurrenten Filter allenfalls gegen Aufpreis bekommen.

Die Initiative „Kein Diesel ohne Filter“ hat aber in Hans Eichel den Hauptschuldigen gefunden: „Solange keine fiskalischen Rahmenbedingungen geschaffen werden, solange passiert nichts“, so Tilmann Heuser, Verkehrsexperte vom BUND.

Gemeint sind Steuergeschenke: Zwischen 600 und 900 Euro koste eine Nachrüstung von Diesel-Pkw. „Es gibt genügend Technik-Anbieter. Die warten allerdings, bis entsprechende Rahmen geschaffen sind“, so Gerd Lottsiepen, Experte beim Verkehrsclub Deutschland. Die Kunden müssten einen Nachrüst-Anreiz verspüren. Im Juni 2004 habe der Bundesrat die Regierung aufgefordert, ein steuerliches Förderkonzept vorzulegen. „Auch das Bundeskabinett stimmte dem zu“, so der Greenpeace-Experte Günther Hubmann. Nur Eichel blieb stur: „Der will offenbar VW vor den Folgen schützen, die dem Konzern aus der verschlafenen Entwicklung erwachsen“, so Hubmann.

Im Prinzip bestätigte das gestern ein Sprecher von Eichel: Die Politik habe neben Umweltaspekten die Anliegen der Wirtschaft und den vernünftigen Umgang mit Steuergeldern zu beachten. Die Umweltverbände rechnen dagegen vor, dass die steuerliche Förderung zum Nulltarif zu haben sei. Sie hoffen jetzt auf Bundeskanzler Gerhard Schröder, der ursprünglich für eine steuerliche Förderung ab Jahresbeginn 2005 plädiert hatte. Der Kanzler sehe ein „gemeinsames Interesse, hier zu einer Lösung zu kommen“, erklärte Regierungssprecher Béla Anda gestern.

Bis es allerdings so weit ist, rät die Initiative „Kein Diesel ohne Filter“: Hände weg von filterfreien deutschen Dieselautos! Kann ja gut sein, dass man in einem halben Jahr die Nachrüstung aus eigener Tasche zahlen muss. Stehen lassen muss man die Kiste vorher ohnehin. Jürgen Resch von der Deutschen Umwelthilfe: „In Großstädten wie München, Frankfurt am Main oder Berlin wird es spätestens im zweiten Halbjahr Fahrverbote geben.“

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