daumenkino
: „Final Call“

Filmkritiker haben sich an das Ritual bereits gewöhnt: Taschenkontrolle vor dem Kinosaal. Bei Pressevorführungen geht es immer öfter zu wie beim Check-in auf dem Flughafen. Sicherheitspersonal schwenkt Metalldetektoren, lässt Taschen und Jacken abgeben. Mobiltelefone, mit oder ohne Kamera, sind sofort auszuhändigen. Das kann Anlass geben für ärgerliche Bemerkungen oder resigniertes Schulterzucken, aber dank des Ferngesprächs-Thrillers „Final Call“ wissen wir es jetzt besser: Es dient alles nur unserem Schutz. Denn der Griff zum Telefon kann unerwartete Folgen haben.

In David R. Ellis’ Film trifft es einen Strandabhänger und Tagträumer (Chris Evans). Plötzlich hat er eine verzweifelte Frauenstimme am anderen Ende der Strippe. Sie erzählt ihm, dass sie von Unbekannten entführt worden sei. Sie hat keine andere Verbindung zur Außenwelt außer ihm; wenn er auflegt, wird sie sterben. Larry Cohen, der Drehbuchautor von „Final Call“, hat vor zwei Jahren eine entsprechende Situation schon in „Nicht auflegen“ durchgespielt: Colin Farrell steckte in einer Telefonzelle fest und musste im Fadenkreuz eines paranoiden Scharfschützen um sein Überleben verhandeln.

Man weiß ja, dass in einer Unterhaltung übers Telefon das Entscheidende ist, die Kommunikation überhaupt am Laufen zu halten, zu sagen: „Hallo, ich bin noch da, höre zu!“ Hier nimmt das traumatische Züge an. Den größten Teil des Films riskiert der unfreiwillige Held Leib und Leben, nur damit die Verbindung nicht abbricht. Wenn es sein muss, stürzt er sich dafür von einem Gebäude oder stiehlt mit vorgehaltener Waffe auf offener Straße einen Wagen. Mit etwas Augenzwinkern könnte man darin eine schöne Allegorie auf tief sitzende Technologieängste sehen: der Mensch als bloßes Anhängsel wahnsinnig gewordener Kommunikationsmittel, der wie ferngesteuert durch die Stadt rast, das Handy ans Ohr gepresst. Vor allem aus Japan kam in letzter Zeit die düstere Variante dieses Motivs: Medien-Horrorfilme, in denen todbringende Videos oder Telefonanrufe unter Jugendlichen Angst und Schrecken verbreiten. Aber das kann der Mobiltelefonhersteller, dessen Logo öfters übergroß auf der Leinwand zu sehen ist, kaum gewollt haben. Folglich muss es am Ende wieder ein Telefonanruf sein, der alles zum Guten wendet.

DIETMAR KAMMERER