Wenn die Säge kreischt

VON FRANÇOIS MISSER

Die Regenwälder des Kongobeckens in Zentralafrika gehören zu den größten der Erde – noch. Auf 2,28 Millionen Quadratkilometern finden sich über 600 Baumsorten und mehr als 10.000 teils sehr seltene Tierarten, darunter die letzten Waldelefanten Afrikas und die einzigen Tieflandgorillas der Erde. Unter den so gesegneten Ländern – vor allem die Demokratische Republik Kongo, aber auch Kongo-Brazzaville, Gabun, Äquatorialguinea, Kamerun und die Zentralafrikanische Republik – befinden sich allerdings einige der ärmsten der Welt. Die Versuchung, durch Tropenholzexport Geld zu machen, ist für ihre Regierungen groß; der Anreiz zu Naturschutz eher klein, zumal 20 Millionen Menschen in und von Zentralafrikas Wäldern leben. Der Schutz dieser Wälder ist deshalb eine internationale Angelegenheit, und dazu findet ab heute in Brazzaville ein internationales Gipfeltreffen statt, mit Vertretern Afrikas und der Bundesregierung, und sogar mit Frankreichs Präsident Jacques Chirac.

Für die entwicklungspolitische Debatte ist das Thema zentral. Armutsbekämpfung in Afrika und Maßnahmen gegen den Klimawandel sind von Tony Blair zu den Topthemen der laufenden britischen G-8-Präsidentschaft ernannt worden. Eine UN-Untersuchung befand in dieser Woche, dass die Erderwärmung Erfolge bei der Armutsbekämpfung in Afrika zunichte machen wird. Nach Angaben der UN-Agrarorganisation FAO verliert die Welt jährlich 90.000 Quadratkilometer Regenwald, ein Viertel der Fläche Deutschlands.

Devisenquelle Holzexport

Zentralafrika ist davon noch nicht so stark betroffen wie etwa Indonesien. Nach amtlichen Angaben produzieren die Staaten des Kongobeckens jährlich 13 Millionen Kubikmeter Baumstämme, 870.000 Kubikmeter verarbeitetes Holz und 71 Millionen Kubikmeter Holzkohle. Das ist wenig, aber die Holzexporte der Region steigen und werden als künftig wichtigste Devisenquelle gehandelt. Außerdem wird nur ein Teil des Holzeinschlags registriert. Der World Wildlife Fund warnte gestern, nach gegenwärtigen Trends würden in 50 Jahren zwei Drittel der Urwälder des Kongobeckens verschwunden sein.

Die existierenden Waldschutzprogramme bestehen zumeist nur auf dem Papier. Zwar wurden 28.000 Quadratkilometer im Grenzgebiet zwischen Kamerun, Kongo-Brazzaville und der Zentralafrikanischen Republik unter Schutz gestellt, ein zweiter Nationalpark mit 146.000 Quadratkilometern an der Grenze Gabuns ist in Planung. Aber das kostet Geld. 1999 vereinbarten deshalb die Staaten der Region die „Kongobecken-Initiative“: Geldgeber wie die USA und die EU finanzieren darin gemeinsam mit privaten Partnern den Regenwaldschutz. Von den weltweit zugesagten 300 Millionen Dollar für die „Kongobecken-Initiative“ wurden bis heute aber nur 20 Millionen gezahlt: von den USA. Aus Europa floss kein Cent.

Ökosiegel für den Handel

Der Gipfel von Brazzaville soll das Programm von neun auf elf Länder erweitern, durch die Einbeziehung von Ruanda und Burundi, und ihm vor allem neues Leben einhauchen. Die zentralafrikanischen Staaten verlangen von den reichen Ländern Schuldenerlassprogramme, deren Erlöse in den Naturschutz fließen sollen. Ein „Konvergenzplan“ mit einem Umfang von 1,3 Milliarden Euro wird in Brazzaville zur Diskussion gestellt. Neben Schuldenerlassen geht es dabei auch um die Möglichkeit des Emissionshandels sowie die Stärkung der mit Waldschutz befassten Verwaltungen.

Auf der Wunschliste steht auch eine weitere Verbreitung von Zertifikaten für ökologisch unbedenklich produziertes Tropenholz, das so einfacher gehandelt werden könnte. Kongo-Brazzavilles Premierminister Isidore Mvouba schlägt ein „panafrikanisches Zertifizierungssystem“ für Tropenhölzer vor, um „den Handel mit unseren Waldprodukten auf dem Weltmarkt zu fördern“.

Die Vernichtung des Regenwaldes hat viele Ursachen, und das Gipfeltreffen bietet nun Gelegenheit, sie ehrlich zu benennen. Kongo-Brazzavilles Umweltminister Henri Djombo etwa, Präsident der mit dem Thema befassten zentralafrikanischen Ministergruppe Comifac, verwies kürzlich in einer Anhörung vor dem Europaparlament auf armutsbedingte Waldvernichtung: So schert sich zum Beispiel die Landbevölkerung nicht um Naturschutzgebiete und nimmt Brandrodungen vor.

Über das illegale Abholzen der Regenwälder durch internationale Holzfirmen sagte Djombo weniger. Dabei ist dies die größte Sorge internationaler Umweltgruppen. Illegale Abholzung ist in Zentralafrika sehr weit verbreitet – nicht nur in Naturparks, sondern auch in Konzessionsgebieten ohne behördliche Einschlagerlaubnis oder jenseits der erlaubten Mengen. Der World Wildlife Fund schätzte 2002, dass in Kamerun und Äquatorialguinea 50, in Gabun 70 Prozent des Holzeinschlags ohne Genehmigung gefällt werden. In Indonesien sind es sogar 90 Prozent. Greenpeace hat recherchiert, dass zum Beispiel Italien dreimal mehr Holz aus Kamerun importiert, als Kamerun offiziell dorthin exportiert.

An diesem Kettensägenmassaker sind auch andere Länder beteiligt. Jahrelang stand Liberia, wo sich der 2003 gestürzte Präsident Charles Taylor mit dem Erlös aus Holzexporten Waffen kaufte, im Zentrum der Kritik. Seit Liberia – gegen das immer noch ein internationales Tropenholzembargo in Kraft ist – zum Frieden gefunden hat, richtet sich das Augenmerk auf Kongo und seine Nachbarstaaten.

Die Reutlinger Firmengruppe Danzer, eine der Großen im afrikanischen Holzgeschäft, steht dabei besonders im Rampenlicht. Im Juni 2004 warf Greenpeace einer Schweizer Tochterfirma der Danzer-Gruppe vor, aus Kamerun Holz eingeführt zu haben, das die kamerunische Firma Mba Mba Georges illegal auf einem 1.000 Hektar großen Gelände im Besitz einer Gemeinschaft gefällt habe. Ein weiterer Lieferant Danzers, so Greenpeace, sei der von UN-Experten als Waffenhändler genannte und mit Sanktionen belegte Niederländer Gus Kouvenhoven. Von ihm sei liberisches und kongolesisches Holz gekommen.

Unter Verweis auf interne Danzer-Dokumente warf Greenpeace Danzer weiter vor, in Korruption in Kamerun und der Demokratischen Republik Kongo verwickelt zu sein. „Bei einer allfälligen Bußendrohung, sog. konditionierte Fälle, ist er aber schon bereit, diese mit einem Geschenk zu erledigen“, wird ein Schreiben über einen örtlichen Vertreter zitiert.

Eine Greenpeace-Klage gegen die inkriminierte Danzer-Tochter Interholco jedoch wurde vor zwei Wochen, am 21. Januar, von der Schweizer Justiz mangels Beweisen abgewiesen. Danzer selbst erklärte bereits im November, die Firmengruppe habe nicht „wissentlich“ internationales Recht beim Holzhandel verletzt. Die Beziehungen zu Kouvenhoven seien abgebrochen worden, nachdem er mit UN-Sanktionen belegt wurde.

Heimlich Konzessionen erteilt?

Die mächtige Stellung der Danzer-Gruppe im Kongobecken bleibt dennoch Gegenstand von Diskussionen. Eine Danzer-Tochter hält in Kongo-Brazzaville Waldkonzessionen über 1,3 Millionen Hektar, eine weitere, Siforco, in der Demokratischen Republik Kongo Konzessionen über rund 3 Millionen Hektar, hinzu kommt eine Sägemühle. Siforco wird von kongolesischen Umweltschützern kritisiert: Sie befürchten einen großflächigen Holzeinschlag ohne Rücksicht auf die Waldbevölkerung.

Für Kongos Allparteienregierung wiederum sind die deutschen Holzfäller Objekt maßloser Begierde: Laut Greenpeace verlangt die Regierung in Kinshasa von Siforco Steuernachzahlungen von 360 Millionen Euro – so viel wie der gesamte Staatshaushalt des Landes. Lokale Umweltschützer im Kongo behaupten, dass heimlich schon weitere Konzessionen erteilt wurden – trotz eines offiziellen Moratoriums auf neue Konzessionen aus dem Jahr 2002 und der Annullierung eines Großteils der bestehenden durch die Weltbank im Jahr darauf.

Danzer ist nicht die einzige Firma im Visier der Umweltschützer. Französische Gruppen verweisen auf Rougier. Das Unternehmen aus Frankreich war 2000 durch internationalen Protest gezwungen worden, seine Motorsägen aus dem Naturpark Lopé in Gabun abzuziehen. Die französisch-chinesische Thanry wird vom kamerunischen Waldministerium der „anarchischen Ausbeutung“ ihrer Regenwaldkonzessionen beschuldigt. Derlei stelle „unsere gesamte Politik der nachhaltigen Waldbewirtschaftung in Frage“.

Am schlimmsten sind ohnehin die Asiaten, deren Bedarf nach frischem Tropenholz unersättlich scheint. Mehr als die Hälfte der aus Afrika exportierten Baumstämme landen in China. Manche werden dort zu Brettern verarbeitet und dann nach Europa exportiert. Im Regenwaldgebiet Niari in Kongo-Brazzaville fällen schon jetzt „Taman Industries“ aus Malaysia und „Man Fai Tai“ aus China täglich über 500 Bäume, kritisierte 2003 die kongolesische Menschenrechtsorganisation OCDH. Normal sind 100 bis 400.

Tropenholz in Brüssel verbaut

Greenpeace und andere Umweltschützer befürchten, dass der Lebensraum der Tieflandgorillas, Schimpansen und Bonobos im Kongobecken bald zerstört sein dürfte. Deshalb forderten am 21. Dezember mehr als 200 Umweltgruppen das Europaparlament auf, ein EU-Importverbot für illegal geschlagene Tropenhölzer auf den Weg zu bringen. Kongo-Brazzavilles Umweltminister Djombo erinnerte daran, dass zwar Asien der größte Abnehmer für Afrikas Hölzer ist, Europa aber der größte Investor. EU-Länder kaufen ein Drittel sämtlicher tropischen Baumstämme sowie die Hälfte der verarbeiteten Holzprodukte. Bisher, so die Kritik, überlasse die EU es der Holzindustrie, ob sie sich an bestehenden Programmen zur Zertifizierung von Tropenholz beteiligt.

Wenn die EU es mit dem Regenwaldschutz in Zentralafrika ernst meine, sagt Sébastien Risso von Greenpeace Europa, dürfe sie Afrikas Regierungen im Kampf gegen illegale Abholzung nicht allein lassen. Eine Studie der EU-Kommission darüber, wie gegen Ökosünder vorgegangen werden könnte, sei für Mai 2004 versprochen und bis heute nicht vorgelegt worden. Übrigens, so Greenpeace, wurden im neuen EU-Kommissionsgebäude in Brüssel illegal geschlagene Edelhölzer aus Naturschutzgebieten in Indonesien verbaut.