Einfach rumgeben

Sie haben uns den Dienstag zurückgegeben: Mit einer Diashow von Rattelschneck und Anna Poth im Festsaal Kreuzberg hat eine neue Serie der wöchentlichen Verbrecherversammlungen im Festsaal Kreuzberg begonnen

Die Gefahr ist natürlich, das habe ich gleich abends gemerkt, als ich heimkam nach der Verbrecherversammlung, die Gefahr ist natürlich, dass man beim Erzählen darüber in das alte Muster all jener Trickfilmnacherzähler verfällt, die dabei noch jedes Mal die Pointen vergeigt haben. Als ich nämlich heimkam, am Dienstag nach der Verbrecherversammlung, da wollte ich dem, der mich gewöhnlich zu solchen Späßen begleitet, sofort ausführlich davon berichten. Aber wie erzählt man von einer Diashow, bei der man vor seinem Astrabier sitzt und zusieht, wie Cartoons an die Wand geworfen werden, während die Cartoonschreiber die Sprechblasen mit verteilten Rollen vorlesen, was besonders dann sehr lustig ist, wenn das Dia klemmt und gar kein Cartoon an der Wand zu sehen ist?

Höchstens so: Sie haben uns den Dienstag zurückgegeben. Die lustige Diashow mit Rattelschneck und Anna Poth im Festsaal Kreuzberg war der Auftakt zu einer neuen Serie der dienstäglichen Verbrecherversammlungen, die von 1999 bis zum letzten Jahr im Kaffee Burger stattgefunden hatten. Nach längerer Pause und einigem Hin und Her (eigentlich wollten die „Onkel Verbrecher“, die Verlagsleiter Jörg Sundermeier und Werner Labisch, ins BKA am Ostbahnhof ziehen, aber eine Woche vor der ersten Veranstaltung kam von dort die Pleitemeldung) gibt es sie nun also wieder, die Leseaufführungen mit „Spaß und Trunk“.

Der Festsaal Kreuzberg ist schummerig und lose gefüllt – „hier hat man richtig Platz zum Bewegen, im Vergleich zum Burger“, stellt ein Verbrechermädchen neben mir fest. Außerdem erinnert der Raum mit seinen quadratisch zusammengestellten Pressholztischen und der geschnitzten Balustrade bei aller Schummerigkeit irgendwie an ein bundesdeutsches Gemeindezentrum. Eigentlich passt das aber auch ganz gut zu den Cartoons und Zeichnungen, die Rattelschneck und die Witwe des Frankfurter Satirikers Chlodwig Poth alsbald zu Gehör bringen.

Es hilft nichts. Ich muss doch die vorgelesenen Bilder nacherzählen. Die vom Klingelstreich bei Tieren zum Beispiel, von Rattelschneck, wo man in einer ergreifenden Serie die Behausungen verschiedener Tiere von außen sieht, mit sauber angeschraubtem Klingelschild und Namen drauf. Rattelschneck selbst verliest dazu überaus lakonisch eben diese Namen: „Bei Vogel. Bei Hamster. Bei Pferd.“ Absurd-fröhlich sind diese Rattelschneck-Geschichten, und sie sind nur scheinbar mitten aus dem Alltag gegriffen, weil sie diesem Alltag in ihrer vollkommenen Komik doch immer auch sehr distanziert gegenüberstehen. Das Internat, in dem die renitente Schülerin vom Reli-und-Franz-Lehrer mit Lachgas verarztet wird; der Hippie, der sich als Gott verkleidet, um mit der Nonne aus dem Linienbus schlafen zu können; Lothar Matthäus als Zufallsgast beim Kaffeekränzchen.

Böser, knapper, schärfer und weniger bunt dagegen die Zeichnungen von Chlodwig Poth. Anna Poth präsentiert neben einzelnen längeren Geschichten vor allem die Klassiker aus dem Bilderzyklus „Last Exit Sossenheim“, die die Durchschnittlichkeit des legendären Frankfurter Vororts und seiner Bewohner aufs Korn nehmen. Das wird vor allem dann sehr hübsch, wenn Anna Poth die Kommentare zu den Bildern im Frankfurter – oder Sossenheimer? – Dialekt abgibt.

Als Rattelschneck danach ankündigt, noch einen Comic vorlesen zu wollen, ruft einer aus dem Publikum: „Gib das Heft doch einfach rum!“, und dann ist auch bald schon Schluss. Ich kann aber beschwören, dass es mit rumgereichten Comic-Heften nicht so lustig gewesen wäre auf der Verbrecherversammlung.

ANNE KRAUME