„Wir müssen wissen, wie die Wirtschaft Politiker beeinflusst“, sagt Christoph Bautz

Die Öffentlichkeit hat das Recht, zu erfahren, wie viel Geld Parlamentarier nebenher verdienen

taz: Herr Bautz, der wissenschaftliche Dienst des Bundestags hat die gesetzliche Lage beim Thema Nebeneinkünfte beurteilt. Sie haben sich über das Gutachten gefreut. Warum?

Christoph Bautz: Weil es unsere Forderungen nach der Offenlegung von Nebeneinkünften von Parlamentsabgeordneten bestätigt. Das Gutachten sagt klar, dass es da keine prinzipiellen verfassungsrechtlichen Bedenken dagegen gibt. Die CDU und einzelne SPD-Abgeordnete sehen in der Offenlegung einen unverhältnismäßigen Eingriff in die Privatsphäre. Auch das sieht der wissenschaftliche Dienst anders.

Er weist aber auch auf eine Reihe von Problemen hin, zu der eine Veröffentlichungspflicht führen würde. Zum Beispiel bei Freiberuflern.

Ja, vor allem dort, wo die Informationsrechte Dritter eine Rolle spielen und Details über Kunden oder Mandanten öffentlich würden. Auch wenn es um die genaue wirtschaftliche Lage im Unternehmen eines Abgeordneten geht, könnte es Probleme geben. Das könnte man aber umschiffen, wenn der Abgeordnete sich auf begründeten Antrag von der Veröffentlichungspflicht befreien lassen kann.

Aber damit hebelt man doch das ganze Anliegen aus und ermöglicht den.

Es geht ja nicht darum, Freiberufler grundsätzlich freizustellen. Aber wenn ein mittelständischer Unternehmer in einer schwierigen wirtschaftlichen Lage seinen Konkurrenten Einblick in die geschäftliche Situation geben würde, wäre das in der Tat ein Problem. Dann sollte so eine Ausnahme möglich sein. Dem Bundespräsidenten wären die Zahlen ja weiterhin bekannt. Und im Internet könnte man dann zumindest veröffentlichen, warum der Abgeordnete diesen Antrag gestellt hat.

Wie wäre das mit Beraterverträgen, über die Bundestagsabgeordnete ihre Beziehungen zu Unternehmen regeln? Würden die auch unter diese Regelung fallen?

Das hieße zumindest, dass man in diesen Fällen nicht die Mandanten veröffentlichen könnte. Das würde dem Prinzip widersprechen.

Aber gerade das ist doch interessant – wer für wen im Bundestag tätig ist.

Das stimmt. Aber es ist schon hilfreich, wenn nur das Gesamteinkommen aus der Beratertätigkeit veröffentlicht wird.

Wobei der wissenschaftliche Dienst selbst darauf hinweist, dass die Summe allein nicht sehr aussagekräftig ist.

Es bietet aber immerhin einen Anhaltspunkt. Die Frage ist doch, ob ich einen Abgeordneten wiederwählen will, der als Berater tätig ist. Und wenn die Einkommen aus der Beratertätigkeit sehr hoch sind, dann sagt das schon etwas darüber aus, ob der Abgeordnete eher meine Interessen oder die der Wirtschaftslobby vertritt.

Gehen denn die Vorschläge der Fraktionen, die zurzeit im Raum stehen, weit genug?

Es besteht Konsens zwischen Opposition und den Regierungsparteien, dass man die Sanktionen gegen diejenigen verschärfen will, die Einkommen ohne Gegenleistungen beziehen oder ihre Einkommen gegenüber dem Bundespräsidenten verschweigen. CDU und FDP wollen die Gesetzesänderung im Prinzip darauf beschränken. Das reicht bei weitem nicht aus und wäre der zweite Schritt vor dem ersten. Es kommt doch zunächst darauf an, die Einkünfte und Abhängigkeiten transparent zu machen. Bei einer Sanktionierung geht es nur um die Spitze des Eisbergs. Die Neuregelungen dürfen sich aber nicht nur darum drehen, dass Parlamentarier Einkommen ohne Gegenleistung erhalten, sondern um den wachsenden Einfluss der Wirtschaft auf die Politik.

Ist denn eine Beziehung zwischen einem Unternehmen und einem Abgeordneten grundsätzlich verwerflich? Es gibt ja ein Informationsbedürfnis auf beiden Seiten.

Aber Lobbyismus gehört nicht ins Parlament, sondern in seinen Vorraum – wie das der Begriff ja schon in sich trägt. Dort können verschiedene Interessengruppen auf den einzelnen Abgeordneten Einfluss nehmen. Aber hohe Geldsummen von einzelnen Unternehmen an einzelne Abgeordnete sind problematisch. Das muss offen gelegt werden.

Die Internetplattform Campact, die Sie gegründet haben, hat eine Kampagne initiiert, mit der jeder Bürger seinen Abgeordneten zur Offenlegung seiner Bezüge auffordern kann. Wie ist die Resonanz?

Die Beteiligung ist sehr rege. Alle zehn Minuten schickt jemand eine E-Mail oder Petition los. Mittlerweile sind schon etliche hundert zusammengekommen.

Was plant Campact noch?

Wir gehen gehen davon aus, dass die Entscheidung über den Gesetzentwurf in der Woche vor dem 14. Februar fällt. Dann werden die Fraktionsgeschäftsführer voraussichtlich wieder zusammenkommen. In dieser Woche werden wir den Druck noch mal erhöhen und weitere Aktionen starten. Aber das ist noch nicht ganz spruchreif.

INTERVIEW: STEPHAN KOSCH