Graduierte werden Gründer

Die TU Berlin will Studierende, Absolventen und wissenschaftliche Mitarbeiter mit einer Gründerinitiative fit für die Selbstständigkeit machen: mit betriebswirtschaftlichem Wissen und technologieorientierten Geschäftskonzepten

VON VOLKER ENGELS

Das Potenzial, das in den Absolventen der Berliner Hochschulen schlummert, ist groß. Größer, als es die Jobs als diplomierte Kneipenkraft, sprachgewandter Taxifahrer oder belesener Stadtführer auf den ersten Blick vermuten lassen. Studierende, die keine Lust haben, ihr mühsam erworbenes Wissen in den Mühlsteinen wenig lukrativer Ich-AGs zermalmen zu lassen, können sich an der Technischen Universität Berlin (TU) auf den Schritt in die Selbstständigkeit vorbereiten: Die Hochschule hat im Wintersemester 2004/2005 eine Gründerinitiative ins Leben gerufen, die sich in erster Linie an Studierende, Absolventen und wissenschaftliche Mitarbeiter wendet.

Dass Gründung in Berlin ein Thema ist, belegen Zahlen des Statistischen Landesamtes: Von Januar bis September des vergangenen Jahres wurden in der Hauptstadt mehr als 6.700 Betriebe neu gegründet, verglichen mit dem gleichen Vorjahreszeitraum ein Plus von 3,6 Prozent.

Die Gründungsinitiative, die aus Mitteln des Europäischen Sozialfonds (ESF) und Eigenmitteln der TU finanziert wird, besteht aus insgesamt drei Projekten, die sich ergänzen. Die Veranstaltungen sind für die Teilnehmer kostenlos.

Ein Projekt, das den schönen deutschen Namen Venture Campus trägt, versteht sich als praxisnahes Ausbildungsprojekt, das am Fachgebiet für Innovations- und Technologiemanagement der TU Berlin angesiedelt ist. Neben betriebswirtschaftlichem Wissen sollen hier auch technologieorientierte Geschäftskonzepte bis hin zur Marktreife entwickelt werden.

Im Projekt Human Venture werden die Teilnehmer unter anderem in Sozialkompetenzen geschult und erhalten Informationen zu Finanzierung- und Fördermöglichkeiten. Ein drittes Projekt will Wissenschaftler in interdisziplinären Forschungsverbünden zu Ausgründungen motivieren und sie dabei begleiten.

„Das Wissen, das mit der Gründerinitiative vermittelt wird, ist ein wichtiger Teil der universitären Ausbildung“, sagt Bettina Klotz von der Pressestelle der TU. In der Vergangenheit hätten sich Studierende immer wieder darüber beklagt, „dass sie nie gelernt haben, einen Businessplan zu erstellen“. Ein wichtiger Aspekt der Initiative sei, Absolventen der TU Berlin, die erfolgreich eine Firma gegründet haben, als Ratgeber an die Universität zurückgeholt werden.

Das größte Projekt ist der Venture Campus, der sich an Studierende und wissenschaftliche Mitarbeiter richtet, die sich für das Thema Unternehmensgründung interessieren. Aber auch Berliner, die ein Unternehmen gründen wollen, konnten sich für einen der 30 Plätze bewerben.

„Die Resonanz ist sehr positiv, die Veranstaltungen sind ausgebucht“, zieht Christopher Lettl vom verantwortlichen Institut für Technologie und Management an der TU eine erste Bilanz. In Seminaren, die parallel zum Semester laufen, lernen die Teilnehmer zum Beispiel, wie Marktanalysen erstellt werden oder welche Kriterien Banken anlegen, wenn sie Gründungskredite vergeben.

„Wir wissen aus Untersuchungen, dass fehlende Kompetenz im kaufmännischen Bereich ein wesentliches Problem bei Existenzgründungen ist“, so Lettl. In der Gründungsphase gebe es häufig eine „durch viel Enthusiasmus bedingte systematische Überschätzung der Geschäftsidee“. Um eine Rückmeldung von außen zu gewährleisten, werden die Businesspläne, die in Kleingruppen erarbeitet werden, bei so genannten Netzwerktreffen vorgestellt: „Die Teilnehmer geben sich gegenseitig ein Feedback und kritisieren ihre Geschäftsideen“, so Lettl. Einen wichtigen Transfer von Wissen würden auch erfolgreiche Gründer leisten, die ihre Erfahrungen aus der Praxis in die Veranstaltungen einbringen.

Schließlich werden einige ausgewählte Businesspläne von Fachleuten der Berliner Volksbank auf ihre Tauglichkeit überprüft. Immerhin, sagt der Wissenschaftler, gehe es darum, „in einem interaktiven Lernprozess tragfähige Geschäftskonzepte zu entwickeln“. Klar, dass die Veranstaltungen kein komplettes Studium der Betriebs- oder Volkswirtschaft ersetzen können: „Wir wollen betriebswirtschaftliche Lücken schließen und gezielt vermitteln, was für den Gründungsprozess wichtig ist.“

„Die Rahmenbedingungen in Berlin für Gründer im Technologiebereich sind gut“, sagt Gerhard Raetz vom Innovations-Zentrum Berlin Management GmbH (IZBM), das für den Aufbau und Betrieb von Technologie-, Innovations- und Gründerzentren an verschiedenen Standorten in Berlin tätig ist und Existenzgründer und junge Unternehmen berät und unterstützt. Gründer, die mit einem schlüssigen Konzept zu einer Bank gingen, hätten „gute Chancen auf einen Kredit“. Allerdings müssten sie sich an den „realen Bedingungen orientieren“, so Raetz weiter. „Es ergibt keinen Sinn, den Konsumenten einen Bedarf zu suggerieren, den es tatsächlich überhaupt nicht gibt.“ Auch darum sollten Existenzgründer nicht „produktverliebt sein, sondern sich vom Markt leiten lassen“.

Infos: www.tim.tu-berlin.de, www.izbm.de